Autos sind gefährlich, nicht die Fahrradanhänger!

In Österreich transportiert eine Mutter ihre Kinder in einem Fahrradanhänger. Ein Autofahrer passt nicht auf, fährt von hinten in das Gespann, tötet die beiden Kinder und verletzt die Mutter.
Fahrradanhänger von Auto erfasst: Beide Kinder tot
… Laut Polizei war das Fahrradgespann etwa 15 Meter in einen angrenzenden Acker geschleudert worden. Die Ursache für die folgenschwere Karambolage – nach Feuerwehrangaben auf Höhe der Katastralgemeinde Perzendorf – stand vorerst nicht fest …

Der Unfall passierte im Sommer um kurz vor 21 Uhr, da ist es alles andere als düster*1. Zudem auf einem komplett geraden Abschnitt der Straße. Sehr schlimm, mir standen beim Lesen die Tränen in den Augen. Und was passiert dann? Vernünftig wäre es, nun eine Diskussion darüber loszutreten, womit Autofahrer abgelenkt sind, wie man deren Aufmerksamkeit erhöhen könnte. Ob man höhere Strafen für den Fall der Tötung anderer Menschen einführen sollte. Ob Geschwindigkeitslimits gesenkt werden müssen, ob man bessere Infrastruktur benötigt. Alles Dinge, die so einen Unfall verhindern helfen könnten.

Worüber wird diskutiert? Ob man Fahrradanhänger verbieten soll! Wie sicher solche Gespanne sind. Verdammte emphatie- und ahnungslose Schreiberlinge, die ihr ernsthaft angesichts so eines Unfalls die Schuld und Verantwortung bei der Mutter und ihrer Ausrüstung sucht: der Autofahrer hat die Kinder getötet! Mit seinem Fahrzeug. Weil er ganz offensichtlich nicht ausreichend auf den Verkehr geachtet hat. Das Gespann wurde 15 Meter weit geschleudert. Und da ist der Fahrradanhänger das Problem? Was ist bei euch Fritzen im Kopf kaputt?

Im Nachgang springen nun alle Medien auf das Thema an und … diskutieren nicht darüber, dass 2 Tonnen Stahl mit 100 Km/h eine verdammt gefährliche Waffe sind. Es wird nicht darüber diskutiert, dass wir tausende Tote ganz selbstverständlich in Kauf nehmen, weil das Auto unangreifbar an der Spitze der Evolution zu stehen scheint. Der Spiegel hat Montag einen Artikel gebracht, in dem nicht auf die Gefahren die vom Auto ausgehen hingewiesen wird. Kein einziges Wort dazu, wie man sich als Fahrer/in eines motorisierten Fahrzeugs vielleicht verhalten soll, wenn man Fahrradfahrer/innen – besonders kleinen Kindern – begegnet. KEIN EINZIGES WORT, ihr Spacken.

Stattdessen schreibt der Spiegel, man muss eine helltönende Klingel am Fahrrad montiert haben. Ernsthaft, hätte das die Kinder gerettet? Oder die zwei voneinander unabhängigen Bremsen, die Reflektoren in den Pedalen und Speichen? Ja, das sind alles vorgeschriebene Dinge, aber die haben mit diesem Unfall und dieser Diskussion ÜBERHAUPT NICHTS zu tun.
Der Unfall nahe Wien, bei dem zwei Kinder in einem Fahrradanhänger ums Leben kamen, hat eine Sicherheitsdebatte ausgelöst. SPIEGEL ONLINE zeigt, worauf Eltern achten sollten.
… Es wurden sogar Forderungen laut, die Anhänger auf Straßen komplett zu verbieten …

Es ist geradezu eine Frechheit, so einen Artikel angesichts des Geschehens zu veröffentlichen. Der ADAC – der Lobbyverein des Unfallverursachers – wird zitiert, man solle immer einen Fahrradhelm tragen. Fünfzehn Meter wurde das Gespann durch die Luft geschleudert, nachdem der Mann sein tonnenschweres Fahrzeug auf gerader Strecke von hinten in den Anhänger rammte. Und der ADAC rät zu einem Fahrradhelm? Sind die Leute da noch ganz dicht im Kopf? Die vielen anderen Schlampereien in dem Spiegelartikel lasse ich mal ganz außen vor.

2007 – Heiligendamm

Ganz kurz: der Fahrradanhänger ist die beste Idee, wenn man seine Kinder mit einem Fahrrad transportieren möchte. Man kann sein Kind – anders als im Kindersitz – sehen (der Spiegelredakteur hat ganz offensichtlich noch nie einen Hänger gezogen), man kann es anschnallen und es ist von einem Überrollkäfig geschützt. Alle anderen Transportmöglichkeiten bieten diese Kombination nicht. Ich musste damals nicht besonders lange nachdenken, wie ich Tim (und später Ben) auf dem Rad transportieren möchte. Viele Situationen in der Vergangenheit haben meine Entscheidung bestätigt.

Die Gefahr, welche tagtäglich Fahrradfahrenden droht, ist nicht ein Alleinüberschlag mit dem Fahrradhänger. Oder das Umkippen einen Fahrrades mit Kindersitz im Stand. Auch nicht ein hoppelnder Nachläufer an der Achse des Zugfahrrades. Die Gefahr ist das Auto, die Tonnen von Blech die von unaufmerksamen Fahrer/innen gedankenlos über die Straßen bewegt werden und jährlich hunderte von Fahrradfahrer/innen töten. Und nirgends finde ich dazu in der Presse Überlegungen. Stattdessen soll man sich Styropor auf den Kopf setzen und wie ein Papagei anziehen – und wird dann behelmt und albern gekleidet vom SMS-schreibenden Autofahrer umgefahren.

[Update *1]
Per Twitter wurde ich darauf hingewiesen, dass Österreich deutlich weiter süddlich liegt, die Sonne bereits eine halbe Stunde unter gegangen und es somit schon “ziemlich dunkel” gewesen sei.

Ja, akzeptiert … aber stockfinstere Nacht eben auch nicht. Und zur Sichtbarkeit habe ich schon desöfteren etwas geschrieben. Z.B. Nicht “Sichtbarkeit”, sondern “Aufpassen” ist Voraussetzung für Sicherheit, Immer ohne Licht im Straßenverkehr oder Helle Kleidung reicht nicht mehr.

Wer mit seinem KFZ-Licht Hindernisse nicht erkennt, darf nicht fahren!

Über

Ich schreibe hier über Fahrrad(politik), Politik an sich, Technik, unsere Familie und alles was mich sonst so bewegt.

3 Kommentare zu „Autos sind gefährlich, nicht die Fahrradanhänger!

  1. So ganz stimmt die Aussage auch nicht. Ein Auto ist auch nicht gefährlich. Wie beim Fahrrad ist beim Auto der Halter bzw. der Fahrer gefährlich. Danke für den Blog…war sehr interessant.

    • Doch es ist leider schon das Auto – oder genauer die Betriebsgefahr desselben, die Stand heute eben (immer noch) sau gefährlich ist. Der gleiche unaufmerksame Verkehrsteilnehmer auf einem Fahrrad oder zu Fuß stellt eben eine viel kleinere Gefahr für seine Umwelt dar. Solange so ein Auto keine wirklich zuverlässigen Assistenzsysteme mitbringt, die alle möglichen Unaufmerksamkeiten und Fehler des Fahrers korrigieren und ausgleichen ist es einfach ein gefährliches Werkzeug, das nur mit voller Aufmerksamkeit und Vorsicht benutzt werden kann wenn man andere Verkehrsteilnehmer keiner vermeidbaren Gefahr aussetzen möchte. Als Autofahrer darf man das einfach nie und auch nicht für kurze Zeit vergessen welche Verantwortung man trägt.

  2. Ich bin zufällig über deinen Beitrag gestolpert und bin absolut deiner Meinung. Vielleicht war der Anhänger in diesem Fall wirklich nicht verkehrssicher (Reflektoren fehlten wohl). Aber ein Verbot von Fahrradanhänger auf Straßen zu diskutieren geht meiner Meinung nach auch am Problem vorbei und zeigt nur wie unser Gesellschaft auf das Auto fokussiert ist. Anstatt den übermächtigen Gefährder zu verbieten wird der schwache Gefährdete verboten. Hallo? Dieses verdrehte Grundverständnis merkt man aber täglich im Verkehr. Wenn sich ein Auto und ein Fahrradfahrer auf einer Einspurigen Straße begegnen wird einfach von vielen Autofahrenden davon ausgegangen, dass der Fahrradfahrende ausweichen wird. Da wird nicht gebremst, da wird nicht gewartet, da wird weitergefahren als gäbe es kein Platzproblem. Klar, gibt es ja auch nicht. Im Zweifelsfall wird der schwächere schon ausweichen. 2 Tonnen Blech sind halt ein gewichtiges Argument. Aus der Sicht des Fahrradfahrenden sieht das aber eher aus wie mit Waffengewalt zum Platzmachen gezwungen.
    Und wenn er dem nicht nachkommt passt halt was. Dann diskutieren wir was der schwache falsch gemacht hat. Verkehrte Welt. Peter

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