Victimblaming: Radfahrer prallt gegen geöffnete Autotür

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Es ist saugefährlich, wenn am Straßenrand Autos parken. Egal ob man auf der Fahrbahn unterwegs ist, oder auf einem Hochbordradweg. Wobei die Fahrbahn das geringere Übel ist. Wenn man entsprechend gefestigt ist, lässt man einfach genug Abstand zu dem parkenden Blech und ignoriert das Hupen und Drängeln der hinter einem her fahrenden Autofahrenden. Manchmal ist das schlecht möglich, oder die Radfahrenden haben sich vom folgenden Verkehr einschüchtern lassen. Dann passiert sowas:

Polizei Minden-Lübbecke 06.12.2021: Radfahrer prallt gegen geöffnete Autotür
Als der Fahrer aussteigen wollte, hatte er den von hinten herannahenden Fahrradfahrer offenbar nicht rechtzeitig wahrgenommen. Der prallte im Vorbeifahren gegen die geöffnete Fahrertür und zog sich dabei Verletzungen zu.

Ätzend, wie hier die Polizei in ihrer Pressemitteilung den Radfahrer zum aktiven Teil dieser Geschichte macht. Der “Radfahrer prallt gegen die Tür” und er verletzte sich dabei selbst. Der Autofahrer hat nun wirklich keine Schuld daran, denn immerhin hat er ja geschaut. Ansonsten wäre die Formulierung “nicht rechtzeitig wahrgenommen” ja eine einfach an den Haaren herbei gezogene Vermutung der Polizei.

Ganz offensichtlich ist der Fahrradfahrende nicht wahrgenommen worden. Der hat sich dort aber nicht einfach so materialisiert, sondern ist die Stiftstraße entlang gefahren. Man kann mittags auch zu dieser Jahreszeit ganz gut gucken. Wenn der Autofahrer sich also umgeschaut oder wenigstens einen Blick in den Rückspiegel geworfen hätte, dann wäre die Tür (hoffentlich) zu geblieben. Weil man einen Menschen nicht einfach “übersieht”. Das passiert nur, wenn man nicht hinschaut.

Richtig wäre die Meldung also: “Der Autofahrer verletzte durch nicht ausreichende Aufmerksamkeit den Fahrradfahrer, indem er die Autotür der Fahrerseite einfach öffnete, als der Radler das Auto passierte und nicht ausweichen konnte.”

Liebe Polizei: wann fangt ihr endlich an, so herum zu formulieren? Es ist genauso neutral, keine Vermutungen (die habt ihr nur bei “offenbar nicht rechtzeitig wahrgenommen” dazu fabuliert) und es macht deutlich, wie der Ablauf tatsächlich war. Vielleicht ändert sich dann auch irgendwann etwas bei den Autofahrenden in deren grundsätzlichem Verständnis von Straßenverkehr.

Über

Ich schreibe hier über Fahrrad(politik), Politik an sich, Technik, unsere Familie und alles was mich sonst so bewegt.

1 Kommentar zu „Victimblaming: Radfahrer prallt gegen geöffnete Autotür

  1. Hallo Andreas,
    Danke für Deinen Post!

    Dank eines Autofahrers, der Tür aufriss, hab ich seit Januar mit Brustbeinbeinbruch zu tun…
    Was ich bezüglich des Autofahrers dann vor Ort erlebte, aber auch insgesamt danach schreib ich hier nicht…

    Nach meinem Unfall fallen mir immer wieder Meldungen auf von derlei Unfällen.
    Und so fiel mir erstmalig Deine gerechtfertigte Bewertung der Darstellungen auf.
    Nicht nur, dass schwerste Verletzungen nur in einem Satz geschrieben werden…. In der Tat ist jeweils es so geschrieben, wie Du es erwähnst. Der Radfahrer/die Radfahrerin….
    Als würde der/die aktiv am Unfall mitwirken.

    Ich selber merkte, selbst bei noch so umsichtigen Fahren, dass ich stets praktizierte, und selbst bei minimaler Geschwindigkeit hat man Null Chance. In dem Moment wo man die Tür sieht, sieht man sich bereits in Zeitlupe fallen und weiß, das wars jetzt. Man hat keinerlei Chance.
    Ein furchtbarer Moment, mitzubekommen gleich knallt es, ohne es noch irgendwie verhindern zu können.

    Ich weiß nicht, ob ich je wieder wo Rad fahren kann wo parkende Autos sind…
    Weil aus dem Nichts (es fand auch im Vorfeld kein Einparken oder so vorher statt, auf all solche Fahrzeugbewegungen achtete ich eh schon immer und hab stets die ganze Straße im Blick ob wo ein Auto frisch einparkt oder jemand einsteigt und losfährt ohne zu schauen, das Fahrzeug stand länger,
    (das sagte er dann selber noch zu seiner Entlastung, dass er doch schon sehr lange im Fahrzeug saß bis er ausstieg, sprich für mich war null ersichtlich, dass es sich nicht nur um ein in dem Moment leeres Auto handelte, sondern dass da jemand ist, der sich dann dazu entschloss, auszusteigen, ohne sich die Mühe zu machen, zu schauen, ob was/wer kommt)

    Ungewollt kamen und kommen stets Erinnerungen/Flashbacks von diesem Moment hoch. Und stets die analytische Frage, hätte ich es verhindern können, dass mir das passierte?
    Nein hätte ich nicht.
    Dennoch analysiert man andauernd diesen ultrakurzen Moment. In dem man null komma Null Handlungsspielraum hat!

    Auch wenn unstrittig ist, wer da die Verantwortung trägt.
    Durch Deinen Artikel wurde mir aber bewusst, was Sprache macht.
    Und wie man durch unterschiedliche Sprachwendung desselben Geschehnisses tatsächlich Verantwortungen verschieben kann!

    Danke für Deinen Post!

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