Sichtbarkeit und Wahrnehmung

Weil ich gerade bei Facebook wieder einen langen Kommentar geschrieben habe und die Diskussion um reflektierende Kleidung und Warnwesten alle Nase lang aufpoppt, lege ich ihn hier auch mal wieder ab.


Kommentar auf Facebook vom 22.11.2018:

Es gibt einen Unterschied zwischen Sichtbarkeit und Wahrnehmung. Ja, eine Weste reflektiert, sie hilft aber leider nicht, da die Wahrnehmung aufgrund der Reizüberflutung überhaupt gar nicht mehr stattfindet. Du hast eine Ablenkung – das Smartphone – erwähnt.

Du schreibst selbst, dass Du den dunkel gekleideten Fußgänger gesehen hast. Wahrscheinlich hast Du auch bewusst darauf geachtet. So sollte es sein! Leider ist es aber bei ganz vielen Autofahrer/innen nicht so. Frag mal meine Frau, die ich letzte Woche aus dem Krankenhaus geholt habe. Umgefahren, weil ein Autofahrer einfach nicht geguckt hat. Am Tag, bei Licht und eingeschaltetem Licht am Rad.

Merkwürdigerweise sehen aber alle Autofahrer (zumindest wenn man deren Aussagen auf Facebook glauben darf), dass alle Fahrradfahrer kein Licht anhaben und bei rot fahren   (Tatsächlich haben ca. 10% kein funktionierendes Licht, wie die Polizei bei den regelmäßigen Kontrollen seit Jahren feststellt. 30% alle Autos bekommen übrigens den TÜV nicht – soviel dazu, welche Fahrzeuge im Schnitt verkehrssicherer sind.)

Das Fordern von Warnwesten oder gar Taschenlampen ist nichts anderes, als die Verlagerung der Verantwortung weg von denjenigen, die mit 1,5 Tonnen Stahl durch die Gegend fahren hin zu denen, die 4 Kg Stoff am Leibe tragen. Das ist leider der falsche Weg, um den Straßenverkehr wirklich sicherer zu machen.

Nicht falsch verstehen: in unserer Familie hat sogar der Fünfjährige ein Fahrrad mit Nabendynamo und das Licht ist immer an. ich sage nicht, dass man bewusst “unsichtbar” am Straßenverkehr teilnehmen soll. Aber die Polizei, der ADAC, die Verkehrsclubs, alle machen Unfallprävention, indem sie die potentiellen Opfer anleiten. Wenn in der gleichen Frequenz, Reichweite und Deutlichkeit für Schulterblick, angepasste Geschwindigkeit und Umsicht am Lenkrad geworben würde, *dann* würde es vielleicht sicherer. Wenn aber irgendwann alle nur noch mit grellen Warnwesten rumrennen, ändert sich nichts, weil es gar nicht mehr auffällt. Dann muss man sich als Fußgänger Rundumblinkleuchten auf den Kopf schnallen, um im allgemeinen Geblende wahrgenommen zu werden.

Über

Ich schreibe hier über Fahrrad(politik), Politik an sich, Technik, unsere Familie und alles was mich sonst so bewegt.

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