Abschied
Damals haben Papa und ich Sonntagnachmittag noch die Sessel aus dem Wohnzimmer in’s Esszimmer, wo der Fernseher steht, gerollt und haben Formel 1 geguckt. Jedes Rennen, von Anfang an bis zum Ende. Damals, als Alain Prost und Nigel Mansell sich noch Schlachten auf dem Asphalt geliefert haben, als Senna das Maß aller Dinge war. Und auch noch, als ein kleiner Junge aus Deutschland plötzlich auftauchte und alle anderen in Grund und Boden fuhr. Das war wirklich spannend. Mansell hat sich einen Dreck um Training und Abstimmung geschert, seinen Wanst hinter das Lenkrad gequetscht und ist einfach los gefahren. Da hat er den Wagen auch schon versehentlich beim Jubeln auf der Ziellinie abgestellt. Da hatte der Pilot Fahrer noch was zu tun. Und das Rennen wurde auf Eurosport von kompetenten Moderatoren kommentiert.
Aber RTL hat ganze Arbeit geleistet. Formel 1 ist nicht mehr Autorennen, sondern Michael Schumacher. Die Kommentatoren wechseln nur noch zwischen „Was denkt er jetzt wohl?“ und „Was trägt Cora heute?“. Teilweise bekommen sie offensichtliche Aktionen auf der Strecke nicht mit und kommentieren auf blauen Dunst. Fremdschämen ist angesagt, wenn Danner und Wasser das Mikro übernehmen. Und der allgegenwärtige Ebel, das männliche Boxenluder nervt nicht nur die Fahrer mit seiner beliebigen Fragerei.
Die letzten Jahre habe ich nicht mehr Formel 1 geguckt. Auch heute nicht. Es hat nur noch genervt. Schumacher fährt gut, ja. Aber er ist mir von Anfang an unsymphatisch gewesen. Sein Bruder scheint mir bodenständiger, wird aber vom Hofberichterstatter RTL halbwegs ignoriert – wie fast alle anderen Fahrer auch.
Heute ist dann Schicht im Schacht. So wie Tennis nach Boris Becker nicht mehr auf RTL statt fand, wird auch die Formel 1 verschwinden. Wer soll den jetzt beweihräuchert werden? Vielleicht – mit Glück – kehrt die Königsklasse auf Eurosport zurück; mit fähigen Kommentatoren, die nicht um des Redens willen sabbeln, sondern das Geschehen kommentieren.
Ich wünsche Herrn Schumacher alles Gute und mir, dass ich von ihm nichts mehr hören muß! Und ich wünsche mir, dass Herr Danner vielleicht noch mal ein paar Rennen fährt und Herr Wasser einen gut bezahlten Bürojob bekommt, damit ich mir keine Sorgen mehr machen muß, ihn zufällig irgendwo mal zu hören. Vielleicht habe ich dann auch mal wieder Spaß an der Formel 1 – den haben die Beiden und RTL mir jedenfalls gründlichst genommen.
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