Fahrradspot ohne Helm

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Es gibt erste Reaktionen zu unserem Video und natürlich nehme ich grinsend zur Kenntnis, dass es genau die sind, die ich erwartet habe. “Tragt einen Helm!” ist das erste, was einem entgegen gerufen wird. Nicht “Oh ja, vielleicht sollte ich als Autofahrer auch mal nach hinten gucken!” Inwieweit das Tragen eines Helmes auf dem Kopf des Radfahrers den Autofahrer dazu animieren mag, beim Öffnen seiner Tür vorher in den Spiegel oder gar über die Schulter zu schauen, erschließt sich mir nicht. Auch bei den wirklich buckeligen benutzungspflichtigen Radwegen – und nur um die geht es – macht der Helm die durch Wurzeln wellig gewordene Fahrstrecke kein bisschen ebener. Und nein, auch eine fahrlässig aufgebaute Baustellenabsicherung wird durch einen getragenen Helm nicht korrekter.

Als das wird ausgeblendet und als gegeben hin genommen. Die Meinung der Kritiker ist klar: Leute, tragt einen Helm! Aber warum, angesichts der Tatsache, dass dieser absolut nichts mit den gezeigten Problemen zu tun hat? Die Lösung kann ja angesichts nicht gebrachter Argumente nur sein: “Damit ich in meinem Auto weiterhin nicht auf euch achten muss und bei Verletzungen ‘Selbst Schuld!’ grienen kann.” Genau das habe ich erwartet und genau das zeigt auch, was in den Köpfen mancher Leute vorgeht.

Ich bin kein Helmgegner, jeder der möchte soll einen tragen. Ich tue dies nicht, es gibt keine Pflicht dazu. Ich finde es aber äußerst anmaßend mir Dummheit und Fahrlässigkeit von Leuten vorwerfen zu lassen, die sich mit der Thematik wahrscheinlich noch nie auseinander gesetzt haben. Ich tue dies seit vielen Jahren.

Ich sage in jedem Arbeitskreis, im Ausschuss für Stadtentwicklung, beim ADFC, wirklich überall wo über das Thema geredet wird, dass die Infrastruktur in Bad Oeynhausen gut ist. Wir haben keine Probleme, die ein Fahrradfahren aufgrund baulicher Mängel auf der Fahrbahn verhindern. Abseits weniger Haupterschließungsstraßen gilt sowieso Tempo 30 … entweder als Zone oder als Gebotsstrecke. Die leider immer noch vorhandenen benutzungspflichtigen Radwege sind jedoch wie im gezeigten Beispiel an der Mindener Straße (hier wird sogar per Gefahrenzeichen vor dem Radweg gewarnt!) und dem an der Eidinghausener Straße (wurde bei der Präsentation im Workshop ‘Klimafreundliche Mobilität’ als Negativbeispiel erwähnt) leider zum großen Teil in einem grottigen Zustand. Da nutzt auch ein Helm nichts.

Weiterhin gibt es in Deutschland keine Helmpflicht. Die Hannelore-Kohl-Stiftung hat in ihrem Geschäftsbericht 2004 mal ein Tortendiagramm veröffentlicht, in dem die verschiedenen Situationen mit Kopfverletzungen dargestellt wurden. Fahrrad- und Fußgängerunfälle machten dabei zusammen ca. 1% aus. Sehr erschrocken scheint man diese Grafik danach nicht mehr verwendet zu haben. Sehr schön und deutlich ausführlicher hat das Peter de Leuw ausgearbeitet.

Fahrrad fahren ist sicher! Entgegen aller Darstellungen der Polizei und der Horrorszenarien, bei denen behelmte Melonen mit dem Helm senkrecht nach unten auf Asphalt geworfen werden. Genau in dieser Situation schützt ein Radhelm. Leider ist der Kopf eines Radfahrers keine Melone und fällt auch nicht mit der Schädeldecke senkrecht nach unten auf den Boden. Allen, die nachdem der Kopf eines Radfahrers von der Zwillingsbereifung eine abbiegenden LKW zerquetscht wurde, sagen “Hätte er doch einen Fahrradhelm getragen!” möchte ich ganz fest in den Allerwertesten treten. Das ist an Schamlosigkeit und Zynismus nicht zu überbieten.

Natürlich ist das Video überzogen und überspitzt – es ist Werbung! Glaubt jemand, Persil wäscht noch weißer? Es soll auf die Missstände hinweisen. Und alles was einigen dazu einfällt ist: “Leute tragt Helme!” Als wenn das auch nur ein einziges der gezeigten Probleme lösen würde. Uns wird vorgeworfen, wir wären dumm und fahrlässig. Was soll ich von jemandem halten, der die gezeigten Probleme ignoriert und überhaupt nicht nachdenkt?

Über

Ich schreibe hier über Fahrrad(politik), Politik an sich, Technik, unsere Familie und alles was mich sonst so bewegt.

7 Kommentare zu „Fahrradspot ohne Helm

  1. Ich hätte ja einen anderen Tipp. Fahr nicht so nah an Autos vorbei, daß die Tür Dir gefährlich werden kann. Aber das dürfte den Autofahrern ja auch nicht recht und Dir schon längst bekannt sein.

    Eine andere Videoidee hätte ich auch noch. Es wird ja bei mangelnder Verkehrsführung ständig gesagt, daß man als Radler da halt auch mal kurz absteigen könnte. Es dürfte nicht schwer fallen in Bad Oeynhausen etliche Stellen zu finden, wo man legal garnicht fahren darf, aber ein Radweg langgeführt werden soll. Daher: Ein Video, 30 Sekunden, 10 mal absteigen, Rad in die Ecke schmeißen und frustriert ins Auto steigen und im Stau auf der Kanalstraße stehen. ;-)

    P.S. Lesetipp: http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/helmpflicht-debatte-der-fahrradhelm-wird-ueberschaetzt-a-961994.html

    Habe zwar schon ausführlichere Berichte dazu gelesen, aber schön, daß auch mal eine größere Zeitschrift einen sachlichen bericht schreiben kann. Habe ja nicht mehr dran geglaubt.

  2. Ich habe neulich das erste Mal beim Radball zugeschaut. Vorher dachte ich, ich könne radfahren …

    Erstaunlicherweise tragen die weder Helme noch Ellbogenschützer, lediglich Handschuhe. Laut den Spielern gibt es blaue Flecken und ab und zu Abschürfungen, sonst nichts.

  3. Ich persönlich denke das der Helm schon wichtig ist, wobei man diesen natürlich nur ungern aufsetzt. Er drück, kneipt und stört eigentlich nur, doch wenn es zu einem richtigen Unfall kommt wäre man froh gewesen einen aufgehabt zu haben. Alternativ ist der Airbag für Radfahrer zu sehen, der sicher nicht für jeden in Frage kommt, aber eine gute alternative ist.

    • Was ist denn das für eine Argumentation? “Denke schon” … “man setzt ihn ungern auf” … “drückt, kneipt und stört” … “man wäre froh gewesen” … echt das liest sich, als hättest Du Dich mit der Sache weder pro noch kontra jemals auseinander gesetzt. Und dann den Airbag anpreisen und dabei auch nur rumeiern.

  4. @Fahrradhelm Airbag

    Es gibt bisher keinen empirischen Beleg, daß ein Fahrradhelm im Straßenverkehr auch nur irgendwie die Sicherheit erhöht. Keinen einzigen.

    Sie können also ein Gebet sprechen, Zuckerpillen lutschen oder eben meinethalben auch denken, daß ein Helm “schon wichtig ist”. Die Wirkung wird die eines jeden anderen Placebos nicht übersteigen.

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