Helmpflicht ja oder nein

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Alle Jahre wieder poppt die Diskussion über eine Helmpflicht auf. Diesmal fragt der WDR seine Leser auf Facebook, ob diese meinen, es bräuchte eine Helmpflicht auf dem Fahrrad. Passend dazu gibt es einen Bericht auf WDR 5.

Ich habe unter dem lustigen Sharepic auf Facebook mal wieder kommentiert:

Natürlich braucht man keine Helmpflicht. Fahrradfahren ist nicht gefährlich. Was wir aber brauchen ist eine viel stärkere Reglementierung des motorisierten Verkehrs inkl. härterer Konsequenzen, falls diese Regeln verletzt werden. Denn der motorisierte Verkehr ist die Gefahr!

Ein Helm verhindert keine Unfälle, er verhindert nicht einmal schwere Verletzungen. Er kann bei Schrammen und Platzwunden helfen. Alles andere kann er nicht – schon gar nicht, wenn ein Autoaufprall Unfallgrund ist.

Eine Helmpflicht verschiebt nur die Verantwortung von denen, die gefährden zu denen, die gefährdet sind.

Inzwischen sagen das auch die Helmhersteller: Fahrradhelme werden nicht entwickelt, um bei Unfällen mit dem motorisieren Verkehr zu helfen. (Artikel in englischer Sprache) Es gab immer schon Auflistungen und Berechnungen, warum ein Fahrradhelm nicht gegen schwere Verletzungen schützen kann, aber es ist natürlich schwierig, gegen die Autolobby zu argumentieren, welche möglichst nicht die eigene Klientel zur Rücksichtnahme und Aufmerksamkeit anhalten möchte.

Im Gegenteil, die Autos werden immer aggressiver designed und auch genauso vermarktet. Da passt es nicht ins Konzept, von defensiv und langsam zu sprechen. Eher davon, der gefährdete Mensch auf dem Fahrrad soll zuerst bei sich anfangen und eine Hasenpfote um den Hals hängen. Schaut man sich die Pressemeldungen zu getöteten oder schwer verletzten Radfahrenden an, dann stellt man fest dass diese eher nicht durch Alleinunfälle oder Zusammenstößen mit anderen Radfahrenden getötet oder verletzt wurden. Die Probleme liegen ganz woanders!

Eine Debatte über die Einführung einer Helmpflicht macht nun genau das: den Fokus von diesen Problemen entfernen! Warum trägt in den Niederlanden wohl so gut wie niemand einen Helm? Ich bin übrigens weit davon entfernt, zu raten man soll keinen Helm aufsetzen. Das soll jeder machen wie er möchte. Ich missioniere nicht – im Gegensatz zu vielen, vielen Auch-Radfahrern, die mit so einem Styroporhut durch die Gegend torkeln. Ich rate aber dringend dazu, sich damit zu beschäftigen, was ein Fahrradhelm kann, was er nicht kann und wie die Diskussion darüber geführt wird.

Bevor ich es vergesse: meist kommt dann das Notarztargument. Der gute Kumpel, der schon so viele Radfahrende mit Kopfverletzungen auf dem Tisch hatte und alle haben keinen Helm getragen. Was er nicht sagt ist: er hatte noch mehr auf dem Tisch, welche einen getragen haben! Und das bei unter 20% Helmtragequote … eigentlich ein deutliches Signal, wenn man bereit ist, es zu sehen.

Über

Ich schreibe hier über Fahrrad(politik), Politik an sich, Technik, unsere Familie und alles was mich sonst so bewegt.

4 Kommentare zu „Helmpflicht ja oder nein

  1. Man muß noch ergänzen: In Ländern, wo man Helmpflicht für Radfahrer durchgesetzt hat, konnte man keinen Rückgang des Kopfverletzungsrisikos für Radfahrer nach Einführung der Helmpflicht feststellen.
    Dazu wurde auch noch ein Rückgang des Radverkehrs beobachtet. Was zur Folge hat, das mehr Menschen an Krankheiten, die durch mangelnde Bewegung entstehen, sterben.

    In absoluten Zahlen werden wesentlich mehr kopfverletzte Autofahrer wie Radfahrer in Krankenhäuser eingeliefert.

    Das Risiko beim Treppensteigen oder Duschen eine Kopfverletzung zu erleiden ist höher als das beim Radfahren. Wieso wird da keine Helmpflicht gefordert ?

  2. Ich bin auch nicht für eine Helmpflicht, kann aber auch nicht verhehlen, dass der Helm mich schon so manches mal bei Stürzen vor Kopfverletzungen bewahrt hat. Meist selbstverschuldet bei Glatteis oder zu heftigem bremsen.
    Ich glaube nicht, dass ein Helm schwere Verletzungen verhindern kann, wenn mich tatsächlich ein Autofahrer auf die Hörner nimmt oder mich abdrängt oder mit zu wenig Seitenabstand überholt.
    Aber in eigenem Interesse bin ich beim Radfahren mit Helm unterwegs.

    Beste Grüße

    Martin

  3. Dem Text kann ich nichts hinzufügen. Super! Den letzten Absatz finde ich ebenfalls bemerkenswert.
    So traurig es auch ist, Fahrradfahrer:innen sind Verkehrsteilnehmer:innen zweiter Klasse (wenn überhaupt). Selbst wenn ich an Hand von Alltagsbeispielen versuche das ruhig zu erklären, werde ich nur müde belächelt.
    Auch mir geht es nicht darum, Fahrradhelme zu verteufeln. Fahrradhelme sollen Symptome „bekämpfen“ – über die Ursachen wird kaum gesprochen; die werden geradezu wie Tabu-Themen behandelt. Auch das hast Du ja schon unzähliger Male geschrieben.

  4. bei den Verletzungen werden auch immer die anderen Körperteile unterschlagen, da wäre doch glatt ein Vollschutz nötig. Was nützt die Styroporschüssel, wenn der 40-Tonner mal eben über den Brustkorb oder die Beine fährt?

    In der Diskussion um die Helme wird auch noch angedacht den Radfahrern ohne Helm pauschal eine Mitschuld am Unfall zu geben. Seit wann ist ein fehelnder Helm unfallursächlich.
    Oft liest man auch in den Unfallberichten in der Zeitung “Der Radfahrer trug keinen Helm”. Hatte auch mal einen Unfall gesehen wo das genau so in dem Pressebericht stand. Die Unfallursache war aber Radeln auf dem linken Radweg, Ausweichen in zu spitzen Winkel an der Kante auf den Gehweg, Sturz selbst verursacht. Jahre später, nach weiteren derartigen Unfällen hat man im Bereich der Unfallstelle die hier einst mal “modischen” Kantsteine zum Gehweg entfernt bzw. geglättet.

    Im Sommer ist mir die Schüssel auf dem Kopf deutlich zu warm, im Winter jetzt bei Minus 5 Grad eigentlich zu kalt, zumindest an den Ohren im Fahrtwind. Dicke Mütze drunter verschiebt den Helm nach oben und beeinträchtigt den Sitz. Man sieht immer wieder falsch sitzende Helme bei den Radlern, falsche Einstellung der Riemen oder gar beschädigte Helme. Im Keller muss ich aufpassen mit dem Helm nicht an Rohren hängen zu bleiben.

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