Radverkehrlicher Dornröschenschlaf

In Bad Oeynhausen ist vor einiger Zeit auf dem benutzungspflichtigen Radweg an der Steinstraße ein Mädchen schwer verletzt worden. Ich habe dazu etwas geschrieben und bemängele diesen Radweg seit Jahren – und nicht nur diesen. Mithin ist die Art und der Ablauf des Unfalls der “Klassiker” unter den Unfällen mit Radfahrerbeteiligung und aufgrund der baulichen Anlage so gut wie aller straßenbegleitenden Radweg vorprogrammiert. Der ADFC in Bad Oeynhausen hat daraufhin einen offenen Brief an die im Rat vertretenen Fraktionen geschickt und einen Termin mit der Presse am Unfallort gehabt.

Auf den Brief bzw. eine entsprechende Nachfrage der Neuen-Westfälischen im Nachgang zu dem Ortstermin habe ich im Namen der Fraktion der Grünen, aber ebenso als Radfahrer und ADFC-Mitglied geantwortet. Und heute war dann auch der dazugehörige Bericht in der Lokalzeitung.

Ich war beim Lesen des großen, fast die ganze Titelseite des Lokalteils einnehmenden, Artikels tatsächlich ein bisschen erstaunt. Geht in die genau richtige Richtung, erklärt die Gegebenheiten, ist unaufgeregt und stellt die Forderung nach Umsetzung der nun schon fast 20 Jahre alten Vorgaben der StVO “Fahrradfahrer auf die Fahrbahn” nicht lächerlich dar. Da bin ich leider aus der Vergangenheit durchaus anderes gewohnt. Ebenso leider ist die Erwiderung der Verwaltung zum konkreten Vorfall ärgerlich. Neue-Westfälische Bad Oeynhausen (02.07.2014 – Print):
Gefährlicher Radweg – ADFC kritisiert Benutzungspflicht
… „Die Benutzungspflicht bleibt“, betont der städtische Pressesprecher. Die Steinstraße sei Schulweg und besonders vielbefahren. Außerdem sei die Verwaltung überzeugt, dass die Benutzungspflicht auch Unfälle verhindert habe. Dass der Radweg deutlich zu schmal, nicht durch einen Sicherheitsstreifen von Parkbuchten getrennt ist und so gegen die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA) hält er für unerheblich: „Das sind keine gesetzlichen Vorgaben.“

Flapsig würde ich sagen: dass ist Mumpitz. Da wird u.a. mit Schulwegsicherung argumentiert. Inwieweit ist ein Schulweg sicherer, wenn Schüler eben genau darauf umgefahren werden? Die Verwaltung “glaubt” weiterhin, dass durch den baulich völlig ungeeigneten, viel zu schmalen, ohne Sicherheitsbereich angelegten und mit reichlich Einmündungen und Hofeinfahrten versehenen Radweg Unfälle auf der Fahrbahn verhindert worden sind. Wenn es um Menschenleben geht, sollte man sich auf Experten, Gutachten und vielleicht auch ein bisschen auf gesetzliche Vorgaben stützen. Ob die ERA zur Ausgestaltung der Radverkehrsanlage nun zu beachten ist oder nicht, ist in diesem Fall auch egal, denn noch davor steht die Straßenverkehrsordnung, die eben dort keine Benutzungspflicht sieht. Weder ist die Verkehrsbelastung besonders hoch, noch ist dort eine besondere Gefahrenlage vorhanden.

Dies hat die Stadt Herford – wie die Neue-Westfälische am gleichen Tag im Herforder Lokalteil berichtet – beherzigt: Neue-Westfälische Herford (02.07.2014 – Print):
Radfahrer sind auf der Straße sicherer
Fast im gesamten Stadtgebiet dürfen – und sollen – Radler jetzt die Straße benutzen … Denn zur Vermeidung von Unfällen ist das Allerwichtigste, dass die Autofahrer sie im Blickfeld haben. Auf den Radwegen ist diese Sichtbeziehung aber schlechter. Beim Abbiegen kommt es deshalb immer wieder zu Unfällen.
Hier wurden gleich mal alle Benutzungspflichten für Radwege (*1) in der Nachbarstadt abgeschafft! Mit der genau entgegengesetzten Begründung, die die Stadt Bad Oeynhausen für die Beibehaltung der Benutzungpflichten anführt! In Herford ist es auf der breiten, einsehbaren Fahrbahn sicherer, in Bad Oeynhausen auf ungeeigneten, schmalen und unübersichtlichen Hochbordradwegen. Der Herforder-Artikel könnte von mir sein. Gibt es nichts dran zu kritteln, genauso möchte ich es in Bad Oeynhausen geregelt wissen!

Liebe Verwaltung von Bad Oeynhausen: bitte wache aus dem fahrradverkehrstechnischen Dornröschenschlaf auf! Um der Gesundheit und dem Leben der Bürger Willen. Müssen wirklich erst noch mehr Unfälle passieren? Es ist unerträglich, wie hier nicht-gehandelt wird!

*1 Ja, ich weiß, die Umgehungsstraße ist davon ausgenommen. Das Äquivalent dazu in Bad Oeynhausen ist die Mindener Straße – und auf der fahre auch ich nur ausgesprochen selten mit dem Fahrrad.

Über

Ich schreibe hier über Fahrrad(politik), Politik an sich, Technik, unsere Familie und alles was mich sonst so bewegt.

4 Kommentare zu „Radverkehrlicher Dornröschenschlaf

  1. Ich bin gestern mit ca. 15 km/h zuviel auf der Autobahn geblitzt worden. Das ist zugegeben meine eigene Schuld. Wenngleich man auch hier im Blog lesen kann, was die LKW mit einem machen, wenn man sich tatsächlich an die 60 km/h hält. Aber was soll ich lamentieren. Zu schnell ist zu schnell und ich werde die Strafe dann auch bezahlen.

    Leider bekommen die Mitarbeiter der Straßenverkehrsbehörde nicht auch für ihre Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung entsprechende Knöllchen. Dann gäbe es weniger der hier genannten Probleme und auch mein Verständnis würde steigen. Immerhin ist der Blitzerbulli vom Kreis Herford den ich wegen Parken auf dem Radweg angezeigt habe auch unter einer nachweislich falschen Begründung ohne Strafe davon gekommen. Aber immerhin Pakt der mich jetzt besser. ;)

    In jedem Fall leidet mein Gerechtigkeitssinn darunter, wenn much Behörden für Fahrlässigkeit bestrafen und es selber in aller Ruhe am Schreibtisch nicht hingekommen sich an die entsprechenden Spielregeln zu halten. Daher Daumen hoch für Deinen Kampf. Mir wäre es zu Mühsam gegen diese Ignoranz.

  2. P.S. Die VwV-StVO ist für die Verwaltung in jeden Fall bindent und die gibt Mindestbreiten für Benutzungspflicht vor. Es ist traurig, dass das offenkundig nicht bekannt ist. Leider ist es aufwendig entsprechend zu klagen. Hilft nur von der Nichtigkeit des Verwaltungsaktes auszugehen.

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