Bedenkliche Ansichten

Logo: Fahrrad

Gestern fiel mir kurz nach 16 Uhr im Büro auf, dass ich die Ratsunterlagen für die Sitzung um 17 Uhr am Morgen nicht in meine Fahrradtasche gepackt hatte. Also blitzartig Feierabend gemacht und nach Hause gefahren. Kurz vor der bald halbseitig gesperrten Flutmuldenbrücke bemerkte ich einen älteren Mercedes SL, der auf der Fahrbahn an mir vorbei fuhr, langsamer wurde und – so meine Vermutung – gleich rechts über den benutzungspflichtigen Radweg abbiegen würde. Tat er dann auch, direkt vor mir und ohne zu blinken. Da ich damit rechnete, war der Vorfall natürlich gänzlich ungefährlich. Ich habe etwas gebremst und im Vorbeifahren an seinem Heck wortlos die Faust zum Gruß erhoben. Das war so alltäglich, dass ich nicht mehr daran dachte, bis mich ein Verwaltungsmitarbeiter nach der Ratssitzung ansprach.

“Der Herr Edler muss aber auch mal einen Helm aufsetzen!” – Ich so: “????” – “Ich habe Sie vorhin gesehen, das war aber verdammt knapp. Sie sollten einen Helm tragen!” … daraus entsponn sich dann eine kleine Diskussion, in deren Verlauf meine Einlassungen zum Thema ‘Warum hat der mir die Vorfahrt genommem?’, ‘Was tun gegen die nervigen Geisterradler (mit Helm)?’, ‘Wie reagiert die Verwaltung auf das Radwegparken?’ stets sinngemäß mit “Ich setze einen Helm auf!” beantwortet wurden. Ich merkte sehr schnell, dass man sich hier noch nicht ein einziges Mal ernsthaft mit den Problemen von Radfahrern auseinander gesetzt hatte. Im Gegenteil, alles was ich erzählt habe – inklusive der Tatsache, dass der nachmittägliche Vorfall alles andere als “knapp” oder gar außergewöhnlich war, wurde mit “Helm aufsetzen” gekontert. Ohne auch nur ein einziges Mal die von mir geschilderten Probleme überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Ich befürchte, das kam tatsächlich nicht an. Bedenklich finde ich, dass der Bereich auch für die Schulwegsicherheit verantwortlich ist. Wenn “Helm auf!” das Einzige ist, was dort geplant, propagiert und verwaltet wird, dann ist das ganz, ganz schlimm!

Passend dazu fuhr ich heute – natürlich vorschriftsmäßig beleuchtet auf der korrekten Seite auf dem benutzungspflichtigen Radweg der Eidinghausener Straße an der Volksbank vorbei, als ein KFZ-Fahrer aus Norden kommend nach links auf den Parkplatz der Volksbank einbog und ich einen gewaltigen Schlenker machen musste, weil er mich ganz offensichtlich nicht gesehen hat. Oder mich gesehen hat und es ihm egal war. War zwar auch nicht so, dass ich Adrenalin bis zu den Ohren im Blut hatte, aber ich musste schon ein bisschen reagieren. Bin dann über den Parkplatz zu dem Herrn gefahren und habe ihm gesagt, dass ich nun doch Herzklopfen habe und ob sowas sein müsse.

Die Antworten lassen mich nur kopfschütteln. “Musst Du eben auf der richtigen Seite fahren!” WTF? Ich war doch rechts. “Hattest Du überhaupt Licht an?” Als ich ihm mit meiner nabendynamogespeisten Busch & Müller LED-Lampe ins Gesicht leuchtete, fiel ihm nur noch ein, dass meine Jacke schwarz sei. Richtig, mit orangenen Leuchtstreifen. Kein Wort des Bedauerns, kein bisschen Einsicht, im Gegenteil, ich bin Schuld. Da fällt mir wirklich nur “Arschloch” ein.

Und genau dagegen muss man was tun, liebe Verwaltung. Gegen diese Ignoranz und Gleichgültigkeit. Einfach mal ein bisschen Kommunikation betreiben. Und ein Helm, lieber Verwaltungsmitarbeiter, nützt dagegen schlicht und ergreifend überhaupt nichts. Es bringt auch nichts, wenn man Presseartikel veröffentlicht, in denen die Helmnutzung propagiert wird. Das kommt bei den Autofahrern, die mir gestern und heute die Vorfahrt nahmen, nämlich genauso an: alles Rabauken, die unverantwortlich mit dem Rad durch die Gegend ballern. Selbst Schuld.

Ich bin sehr enttäuscht von diesem Gespräch am gestrigen Abend.

Über

Ich schreibe hier über Fahrrad(politik), Politik an sich, Technik, unsere Familie und alles was mich sonst so bewegt.

2 Kommentare zu „Bedenkliche Ansichten

  1. Der Artikel löst nur Kopfschütteln bei mir aus. Ich kann mich nur dem anschließen, was Du immer wieder in letzter Zeit forderst: Mehr Aufklärung für Fahrrad- und Nicht-Fahrradfahrer.

    Als ich letztens in einer 30er Zone ein parkendes Auto überholen wollte, aber Gegenverkehr hatte, blieb ich natürlich stehen. Auch der hinter mir hupende PKW blieb stehen, dieser hätte niemals mehr überholen können. Aber Hauptsache erstmal hupen und Aufmerksamkeit erzeugen. Nachdem ich das stehende Auto überholt hatte, fuhr der PKW-Fahrer mit einem Meter Abstand an mir vorbei, gestikulierte wild und zeigte auf den Gehweg. Da konnte ich leider nur noch mit dem Kopf schütteln.

    Hauptsache weg mit dem Radfahrer auf den Gehweg, damit ich, der Autofahrer, 50 in der 30er Zone fahren kann und mich diese dämlichen Radfahrer nicht behindern. Genau so kam die Situation rüber. Und das regt mich tierisch auf.

    Vielleicht benötigt es mehr Initiativen wie diese: http://www.wearetraffic.de/

Schreibe einen Kommentar zu Matthias Schlattmeier Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*