Warum “Vorfahrt lassen” ohne Grund Scheiße ist

Nun, weil es vielleicht nett gemeint ist, aber grundsätzlich auch einen Regelverstoß darstellt. Und wenn einer sich – aus welchen Gründen auch immer – nicht an Regeln hält und ein anderer doch, dann passieren Unfälle: Polizei Minden-Lübbecke: Autofahrer verlässt sich auf Handzeichen. Folge: Ein Unfall mit Verletzten
… Als er nach links auf die rückwärtige Zufahrt des Gebäudes Kaiserstraße 8 einbiegen wollte, kam ihm ein Lkw entgegen. Dieser Lkw befuhr die Linksabbiegespur. Der Lkw-Fahrer gab dem jungen Mann ein Zeichen, dass er ihn abbiegen lasse. Dies tat er auch. Da aber auf der Rechtsabbiegespur ein VW-Fahrer (35) in Richtung Kaiserstraße fuhr, kam es zum Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge …

Ich bleue Tim immer noch jedesmal an Querungen ein, er soll sich nicht auf Handzeichen von irgendwelchen Autofahrern verlassen, die ihm nett grinsend signalisieren, er solle doch die Fahrbahn queren. In Gegenrichtung ist vielleicht jemand, der einfach nur das tut, was in der Straßenverkehrsordnung steht und sich an seine Vorfahrt hält. Und ganz ehrlich, warum sollte der damit rechnen, dass jemand einfach so über die Fahrbahn rennt oder eben mit seinem Auto trotz Gegenverkehr abbiegt.

Genau das Problem gibt es an jeder Querungshilfe ohne Zebrastreifen und Ampel. Wird immer gern gebaut, weil man dann den motorisierten Verkehr nicht einschränkt. Dort hat man als querender Fußgänger oder Radfahrer eben keinen Vorrang oder Vorfahrt. Und wenn dann ein Autofahrer “nett gemeint” anhält … nun, nett gemeint ist nicht gut gemacht. Das ist Mist. Und ich bin ganz froh, dass ich da oben einen Bericht zitieren kann, in dem es nur Autobeteiligung gibt. Denn wenn sich ein Radfahrer oder Fußgänger auf Handzeichen verlässt und jemand anderes das nicht mitbekommt, dann wird’s schlimmer.

Aus genau dem Grund beachte ich diese Handzeichen auch nicht und lasse mir als Radfahrer nicht die Vorfahrt “geben”. Autofahrer sind dann jedes Mal pikiert und ärgern sich wahrscheinlich, dass ich ihre ach so tolle Geste nicht anerkenne. Liebe Autofahrer: ihr macht in dem Augenblick große Scheiße! Vielleicht überlegt ihr einfach mal, wie man sich an Regeln hält. Ich will keine Vorfahrt bekommen, ich möchte nur die Rechte nutzen, die in der Straßenverkehrsordnung verankert sind. Die aber bitte alle! Und nicht die, welche ihr mir netterweise zugestehen wollt. Ansonsten passieren Unfälle … leider.

Über

Ich schreibe hier über Fahrrad(politik), Politik an sich, Technik, unsere Familie und alles was mich sonst so bewegt.

4 Kommentare zu „Warum “Vorfahrt lassen” ohne Grund Scheiße ist

  1. Das Problem ist nicht die Person, die auf ihre Vorfahrt verzichtet, sondern jene die dann blindlinks alles andere um sich herum vergisst. Es stimmt schon, daß solche Gesten in vielen Fällen unnötig sind. In diesen Fällen magst Du recht haben. Umgekehrt gibt es aber auch Situationen in dennen es ohne nicht geht. Will ich in eine schmale Straße einbiegen, die von einem herauswollenden LKW blockiert ist, dann muss ich diesen vorlassen. Natürlich gehe ich davon aus, daß dessen Fahrer trotzdem auf den restlichen Verkehr achtet, wie es seine Pflicht ist. Genauso verhält es sich, wenn man bei Rückstau eine Kruezung frei hält. Hier ist der “Verzicht” sogar vorgeschrieben, sonst würde sich dieser Passus der StVO nur auf Ampelkreuzungen beschränken! Das ist für den vorgelassen Verkehr aber natürlich kein Freifahrschein nicht zu gucken, ob noch anderer bevorrechtiger Verkehr unterwegs ist.

    Beim Blick in die StVO wird also schnell klar, daß genau umgekehr ein Schuh aus der Sache wird. Das Problem ist nicht der Vorlasser (sofern er sich auf sinnige Situationen beschränkt), sondern hektische und unaufmerksam Vorgelassene.

    Wie Du im übrigen auf das schmale Brett kommst, daß eine Verständigung auf einen abweichenden Vorrang verboten (“Regelverstoß”) sei mußt Du mir mal erklären. Das kann ich in der StVO nicht finden.

    • Deswegen schrieb ich ja auch “ohne Grund”. Natürlich gibt es Situationen, wo auch ich jemanden vor lasse. Das von Dir skizzierte Beispiel passt ja. Wenn ich aus dem Dörgen raus will und gleichzeitig ein Bus einfahren möchte, dann rolle ich auch ein paar Meter zurück – weil es für den Bus ungleich schwerer ist.

      Verboten habe ich übrigens nicht geschrieben. Es ist ein Verstoß gegen eine Regel. Wobei das “Verstoß” tatsächlich zu hart formuliert ist. Eine Abweichung, die unter Umständen andere Verkehrsteilnehmer völlig unvorbereitet trifft. Und das ist gefährlich, dabei bleibe ich auch. Es ist in den allermeisten Fällen komplett überflüssig und ich habe es ja auch explizit an den generösen Gesten mancher Autofahrer festgemacht, die meinen jemandem damit einen Gefallen zu tun.

      Ich weiß aber, wie schwer es ist, gerade ganz jungen Verkehrsteilnehmern die abweichenden Regeln der verschiedenen Querungshilfen deutlich zu machen. BTDT. Und ich bin dabei noch entspannt – ich weiß ja, wie andere Eltern viele Situationen einschätzen. Und genau in den Fällen, die ich hier im Blog auch schon mehrfach erwähnt habe, ist so ein Vorlassen einfach nur Scheiße! Und gefährlich. Einem jungen Kind würde ich an einer Querungshilfe, wenn es in einer Richtung von einer netten Tante oder Onkel rüber gewinkt wird, nicht unbedingt Hektik und Unaufmerksamkeit vorwerfen wollen.

  2. Moin, moin!

    Vermutlich haben wir beide etwas hart formuliert. Nur die StVO gibt ein Vorlassen einfach her und daher ist es schlicht kein Verstoß. In vielen Fällen ist es zugegeben Unsinn. Aber es gibt auch Fälle, wo so eine Nettigkeit Sinn macht, ohne dass sie zwingend erforderlich ist. Bei dichtem Verkehr, wo der Querungswillige bis zum St. Nimmerleinstag warten müsste habe ich auch schon Leute ohne eigene Not vorgelassen. Ich bin mir auch der Tatsache bewusst, daß dies z.B. bei Gegenverkehr gefährlich sein kann. Aber ich erwarte halt, daß der vorgelassene dabei nicht kopflos wird. Das ist dem seine Hausaufgabe. Aber wie gesagt. Das sind Ausnahmen. In der Regel macht die Regel schon am meisten Sinn.

    Wobei – wenn ich kurz abschweifen darf – der sicherste Weg zeitnah und unverschuldet in einen Unfall verwickelt zu werden ist sich ganz streng an die StVO zu halten. Damit rechnet dann auch keiner bzw. gewisse Feinheiten kennen die Leute gar nicht und man schlägt aus der Reihe.

    Natürlich ist das gerade mit Kindern nicht ganz einfach. Ich hätte da auch immer ein großes P in den Augen. Mir wurde damals immer gesagt, daß man sich nicht auf Autofahrer verlassen darf und man z.B. auch am Zebrastreifen waren soll, bis wirklich alle halten. Aber grau ist alle Theorie. Es gibt auch genug die die Geduld verlieren und wieder losfahren. Ganz einfach ist das Thema halt nicht. Aber um auf den Polizeibericht zurück zu kommen. Die Schuld sehe ich beim Kraftfahrer aus der Seitenstraße. Auch, wenn er vielleicht schlecht gucken konnte.

Schreibe einen Kommentar zu N.M. Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*