Wegen Digitalisierung geschlossen? Echt?

Ein lokaler Autohändler stellt am Standort Bad Oeynhausen den Verkauf von Kraftfahrzeugen ein, um damit auf die Digitalisierung zu reagieren. Westfalen-Blatt vom 17.12.2017: Glinicke reagiert auf Digitalisierung
… Die Automobilgruppe Glinicke passt zum Jahreswechsel Strukturen der zunehmenden Digitalisierung und dem veränderten Kundenverhalten an: Zum Stichtag 1. Januar wird der Standort Bad Oeynhausen, Kanalstraße 48, ausschließlich zum Servicestandort …

Das hat mit “Digitalisierung” echt wenig zu tun. Hauptsache ein Buzzword raus holen, damit die Standortreduzierung noch irgendwie positiv rüber kommt. Tatsächlich ist es wohl richtig, dass sich das Kundenverhalten ändert und noch immer in Änderung begriffen ist, aber die Händler machen es mir auch schwierig.

Vor vielen Jahren wollten wir für Alex einen Fiat Punto (Typ 188 … nur um den Zeitraum einzugrenzen) kaufen und ich bin mit meinen Vorstellungen zum lokalen Händler gegangen. Der hat mich ausgelacht. Nicht im sprichwörtlichen Sinne, sondern tatsächlich! Auf ausdrücklichen Wunsch hat er damals meine Telefonnummer (demonstrativ auf einem Schmierzettel!) notiert (und sofort nachdem ich den Laden verlassen habe wahrscheinlich weg geworfen). Etwas von ihm gehört haben wir jedenfalls nicht mehr. Eine Woche später hatten wir den Punto mit exakt der gewünschten Ausstattung innerhalb des von uns gesetzten Limits gekauft. Über eine Onlineplattform und in Goslar. Problemlos.

Als ich den Volvo V40 gekauft habe, hatte ich mich vorher auch hier in der Umgebung informiert und gesucht. Tatsächlich gab es passende Wagen – zu horrenden Preisen. Den Zwei-Liter-Turbo habe ich, drei Wochen nachdem ich bei einem Herforder Händler eine Abfuhr bekam, gekauft. Über eine Online-Plattform in Wesel! Problemlos – die haben mir das Fahrzeug sogar hier vorbei gebracht.

Den Fiat 500l haben wir tatsächlich im Nachbarort erworben … nachdem ein lokaler Händler uns ob unserer Preisvorstellung wieder mal belächelt hat. Er hatte das exakt gleiche Modell auf dem Hof stehen, welches wir dann woanders gekauft haben. Nachdem wir damit irgendwann mal in Bad Oeynhausen tankten (oder Zubehör gekauft haben, weiß nicht mehr), war der nicht zum Zuge gekommene Verkäufer noch leicht pikiert, dass wir nicht bei ihm gekauft hatten – und meinte großspurig, dass er den Preis auch hätte machen können. Schwätzer! Warum macht er es dann nicht.

Als ich vor einem Jahr die Operation an der Achillessehne hatte, war ich niedergeschlagen und wollte sofort einen Automatikwagen kaufen. Noch mit Krücken und Gips hat Alex mich zum lokalen Händler gefahren, wo ich meine Ideen zum gewünschten Fahrzeug vorgetragen habe. “Sowas haben wir nicht. Hier ist ein Prospekt.” war alles, was mir gesagt wurde. Dann war der Verkäufer wieder weg. Selbst als ich sagte, dass ich gewillt sei, einen Neuwagen zu kaufen, hat sich niemand bequemt eventuell mal ein Angebot zu rechnen. Den Yeti Monte-Carlo habe ich dann – als ich wieder laufen konnte – per Online-Plattform gekauft. In Filderstadt – reibungslose Abwicklung.

Ja, mein Kundenverhalten hat sich verändert. Ich informiere mich und bin nicht darauf angewiesen, dass mir jemand vor Ort eine Geschichte aus dem Märchenbuch erzählt. Ich bin gewillt, vor Ort zu kaufen und sogar mehr zu bezahlen, wenn ich eine vernünftige Beratung bekomme. Eine Beratung heisst für mich nicht, dass ich ausgelacht werde, wenn ich meine Preisvorstellung nenne. Beratung heisst auch nicht “Hier ist ein Prospekt!”. Und “Müssen wir mal gucken, in ‘nem halben Jahr noch mal fragen!” muss ich auch nicht, denn ich kann halt selber online suchen. Da muss ich dann auch nicht warten.

Das ist aber alles keine “Digitalisierung”, dass ist leider das gestrige Verhalten vieler Händler. Die erzählen mir dann was von “Preisen von ‘nem Händler in Takatukaland” mit denen ich nicht ankommen soll (Originalton) und schießen sich damit dann halt ins eigene Knie. Denn Kompetenz strahlt sowas für mich nicht aus. Und jedesmal versuche ich es wieder und stehe irgendwo in einem Laden, wo ich dann zu hören bekomme, wie doof ich als Kunde bin, wenn ich den aufgerufenen Preis ein wenig ungewöhnlich finde.

Liebe Leute, dann kaufe ich halt online. Aber nicht weil das Digitalisierung ist, sondern weil andere Händler einfach freundlicher und hilfsbereiter sind.

Über

Ich schreibe hier über Fahrrad(politik), Politik an sich, Technik, unsere Familie und alles was mich sonst so bewegt.

6 Kommentare zu „Wegen Digitalisierung geschlossen? Echt?

  1. Hinzu kommt wahrscheinlich auch, dass Glinicke die geplante Expansion an der McDonalds Kreuzung nicht erlaubt (?) bekommen bzw. durchgezogen hat. Und das VW/Audi Zentrum in Minden ist ja auch quasi um die Ecke, wenn ich vor habe mehrere 10t€ für einen Wagen auszugeben.

  2. Mir ist kaufen schon lange zu „unsicher“. Seit Jahren leasen wir nur noch. So stehen die meisten Kosten für die KFZ Mobilität fest. Ich habe nichts mit Verschleißreparaturen, Pannen, Abgasproblemen o.ä. am Hut. Dafür habe ich bisher lokale Händler nach Angeboten abgefragt. Ausgenommen die „Abgehobenen“. Um BMW, MB, Audi/VW teilweise Toyota/Opel machen wir schon lange einen Bogen – mit ähnliche Erfahrungen wie Du. Als Grundlage arbeite ich mit Angeboten großer Leasinggeber, z.B. SIXT. Bisher habe ich ähnliche Preise bei umliegenden Händlern bekommen. Sollte das nicht mehr klappen bleibt halt SIXT o.ä.. Also bei uns auch alles Digital :-)

  3. “Liebe Leute, dann kaufe ich halt online. Aber nicht weil das Digitalisierung ist, sondern weil andere Händler einfach freundlicher und hilfsbereiter sind.”

    Und nicht zuletzt offensichtlich auch billiger. Und *das* hat natürlich schon oft mit Digitalisierung zu tun – wer keine dezentralen Filialen anbieten muss, spart Unsummen für Immobilien, aber auch für Personal.

    • Die Händler, bei denen ich in den beschriebenen Fällen gekauft habe, waren ganz normale Händler wie die vor Ort hier auch. Mit Filiale (mehr oder weniger groß – in Filderstadt ganz schön groß) und Verkauf vor Ort. Die waren aber a) günstiger (richtig), nicht zuletzt b) hilfsbereiter als die hier vor Ort und c) hatten das was ich wollte.

      Durch die “Digitalisierung” (die in dem Fall gar keine ist, sondern nur ein anderer Kommunikationsweg) waren die nicht unbedingt billiger, haben aber eine größere Reichweite bzw. überhaupt das, was ich gesucht habe. Das hätte der Händler für mich ja auch tun können. Aber nichmal einen Neuwagen wollte man mir verkaufen!

      Das mit den Immobilien und dem Personal ist mir klar. Deswegen schrieb ich ja auch, dass ich bereit bin, einen Mehrpreis zu bezahlen. Bei unserer Waschmaschine waren das z.B. 200 € die wir bei Amazon hätten sparen können im Vergleich zum Kauf vor Ort. Bei bezahlten 600 € ist das ein Wort zum Sonntag, finde ich. Elektroherd und Geschirrspüler kam uns jedesmal um die 100 € teurer … haben wir dann aber gemacht, weil wir den Anschluss (den ich selbst hätte vornehmen können) rausgehandelt haben. Ehrlich gesagt sind das Mehrpreise, bei denen ich schon schlucken muss.

      Aber: das war bei den Autobeispielen bis auf den Fiat gar nicht das Kriterium. Beim Volvo sprechen wir von einem Unterschied von 4.000 Euro bei einem Wagen, den ich in Wesel für 10.000 Euro gekauft habe. Das ist auch nicht mit Lagerhaltung zu erklären. In Wesel war’s auch ein Händler.

  4. Ich wollte auch mal einen Neuwagen kaufen und wurde dann weggeschickt: kommen Sie in zwei Wochen wieder, wir machen ab morgen Urlaub. Ich glaube ja, die wollen gar nichts verkaufen.

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