Auf ganz vielen Ebenen frech

Der Artikel in der Neuen-Westfälischen ist ein Paradebeispiel dafür, wie ein wirklich dolldreistes Fehlverhalten eines Autofahrers verniedlicht wird.

Da fährt jemand mit seinem Auto im Kurpark in den Brunnen vor der Wandelhalle. Wie bitte fragt man sich? Mit dem Auto im Kurpark? Da darf man nicht mal Inlineskaten oder gar Radfahren. Und dann im Brunnen? Wie muss der da gefahren sein? Wer da nun einen geharnischten Artikel in der Lokalpresse erwartet, der wird erstaunt sein, wie freundlich das formuliert ist.

Neue-Westfälische 02.01.2015: Bad Oeynhausener parkt Auto im Kurparkbrunnen
… Glück im Unglück hatte ein Bad Oeynhausener … als die Autofahrt durch den Kurpark für ihn jäh mitten im Brunnen vor der Wandelhalle endete …

Ich bin wirklich sprachlos. Wen interessiert, ob der Mann Glück hatte oder nicht. Und muss man sich wirklich entblöden und etwas über abgelassenes Wasser im Brunnen schreiben und dass der Fahrer deshalb nicht nass wurde? Der fuhr abends im Kurpark mit dem AUTO! Hallo McFly, ist da wer?

… konnten bis auf ein paar Lackschäden keine größeren Blessuren am Auto festgestellt werden. Auch der Fahrer selbst blieb unverletzt …
Eigentlich schade. Wenn der Wagen allerdings so wie er auf dem Bild zu sehen ist im Brunnen stand, dann frage ich mich (und andere mit denen ich heute darüber gesprochen habe) wie schnell der wohl gewesen sein muss. Wenn ich da in den Brunnen fahren würde – mit dem hochbeinigen Allrad-Yeti – dann würde ich mit dem Unterboden auf die Kante knallen und dort wahrscheinlich fest hängen. Um da ganz rein zu hüpfen müsste man schon recht zügig über die Kante holpern, damit der Wagen mit den Hinterrädern an der Kante ist, bevor die Vorderräder auf den Boden geplumpst sind. Ansonsten: mehr als Lackschäden. Oder Alfa baut neuerdings Panzer.
… Jahrelang hätte er sich über die Fahrradfahrer aufgeregt, die täglich durch den Kurpark fahren und jetzt hätte er selbst so einen Super-Gau verursacht …
Genau das ist der Punkt: immer nur über andere aufregen. Selber ist aber alles OK, was man macht. Mir fallen dazu keine Bezeichnungen ein, die ich hier öffentlich schreiben möchte. Ganz schlimm. Wirklich. Und die Zeitung bringt das in feinstem Plauderton.

… Dann sei er einfach einen Moment lang unaufmerksam gewesen. Eigentlich wollte er nur seine Frau abholen, erzählte der Unfallverursacher über seine Absichten …
Achso, der war nur einen Moment lang unaufmerksam! BULLSHIT! Der ist ganz bewusst durch eine Fußgängerzone gefahren, bis er überhaupt erstmal den Kurpark erreichen konnte. Und dann ganz bewusst und dreist mit dem AUTO in den KURPARK gefahren. Da darf man laut den Hinweistafeln am Eingang nicht mal die Enten füttern. Wie kann man da auf den schwachsinnigen Gedanken kommen, man dürfe da mit dem Auto fahren? Oh, ich vergaß, weil er seine Frau abholen wollte! Na dann ist ja alles in Butter! Das erklärt alles. “Die Frau abholen” setzt ja bekanntermaßen alle anderen Verkehrsregeln außer Kraft. Meine Führerscheinprüfung ist schon so lange her, aber es fällt mir wieder ein. “Wenn ihr später mal eure Frau abholen wollt, gelten alle anderen Vorschriften nicht mehr!” hat uns der Fahrlehrer in einer der ersten Stunden eingebleut.
… und ließen sich die ungewöhnliche Zugabe nicht entgehen …
Danke auch an die Neue-Westfälische für diese Berichterstattung, bei der bewusste Regelverstöße als “ungewöhnliche Zugabe” verniedlicht werden. Wenn ein Radfahrer durch den Kurpark fährt, ist er ein Rad-Rowdy, ein Rüpel-Radler und eine Gefährdung der Kurparkbesucher. Ein völlig ignoranter Autofahrer, der es schafft sein Fahrzeug in einem öffentlichen Brunnen zu parken, ist eine “ungwöhnliche Zugabe”.

Über

Ich schreibe hier über Fahrrad(politik), Politik an sich, Technik, unsere Familie und alles was mich sonst so bewegt.

3 Kommentare zu „Auf ganz vielen Ebenen frech

  1. Ist ja sonst nix los in B. O.
    Bis auf ein paar Rüpel auf dem Fahrad… ;-)
    Da ist es doch erfrischend, wenn einer dreist im Kurpark in einen Brunnen fährt… *ichkriegmichnichtwiedereinvorlachen*

  2. Da kann ich Dir nur zustimmen. Nie im Leben fährt man »aus Versehen« mit dem Auto durch den Kurpark. Das ist so, als würde ich aus Versehen mit dem Fahrrad durch den Werre-Park fahren.

    BTW:
    »Da darf man laut den Hinweistafeln am Eingang nicht mal die Enten füttern. Wie kann man da auf den schwachsinnigen Gedanken kommen, man dürfe da mit dem Auto fahren? Oh, ich vergaß, weil er seine Frau abholen wollte! Na dann ist ja alles in Butter!«

    Made my day!

  3. Nun, da seid Ihr aber nicht häufig im Kurpark.
    Da geht es manchmal zu wie am Kamener Kreuz! ;o)
    Wie man allerdings mit diesem Schlachtschiff komplett in den Springbrunnen fahren kann, ist schon reif für einen Gimmick.
    Ich vermute, nichts anderes wollte die Autorin der NW mit ihrem Artikel bezwecken.
    Interessant wäre zu wissen, was der Fahrer wohl gesagt hätte, wenn er statt mit Karacho in den Brunnen, mit Vollgas eine Gruppe Senioren oder Mütter mit Kindern über den Haufen gefahren hätte??
    Ich hoffe, dass diese Tat für den Fahrer Konsequenzen hat!
    Beste Grüße
    Martin

    >>Nie im Leben fährt man »aus Versehen« mit dem Auto durch den Kurpark. Das ist so, als würde ich aus Versehen mit dem Fahrrad durch den Werre-Park fahren.<<
    Grins!

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