Ich fahr’ links

Ich fahre links auf der Autobahn. Natürlich – wenn ich überholen will. Wenn ich den, mit 160 die linke Spur blockierenden, firmenwagenfahrenden, hemdsärmeligen Handy-am-Ohr-Telefonierer hinter mir lassen will, weil er mir zu sehr hin- und her torkelt auf der dreispurigen und ansonsten freien Autobahn. Ich möchte nicht hinter seinem Zweiliter Turbdiesel mit Direkteinspritzung hinterher zuckeln, ich will nach Hause.

Aber der Herr in seinem Auto aus Ingolstadt achtet wahrscheinlich nur auf seine Mutti am Ohr und nicht auf den Verkehr. Darin unterscheidet er sich in nichts von dem graumelierten Mitvierziger im 2,5 Liter Direkteinspritzer aus München, der sein Sacko ordentlich auf dem Bügel hinter dem Fahrersitzt aufgehängt hat. Auch ihm gehört die Spur links, auch er darf seinen femdfinanzierten fahrbaren Untersatz offensichtlich nur mit knapp 160 über die Bahn treten. Macht Platz ihr Lackaffen! Mein Junge muß in 1 1/2 Stunden ins Bett und ich will noch ein wenig mit ihm spielen.

Und dann kommen die Baustellen. Da darf ich nicht schnell fahren. Und niemand glaubt es mir, aber ich fahre dann auch nicht schnell. Ich benutze die rechte Spur und fahre 80, wenn das auf dem Schild steht. Das kommt den polnischen Lastwagenfahrern zwar spanisch vor und es ist russisches Roulette von mir, die Geschwindigkeit dann nicht zu erhöhen. Der Überholvorgang eines LKWs in einer Baustelle mit schmalen Fahrspuren ist nicht angenehm. Die weißkragigen Autobahnbenutzer in ihren dunklen Mittelklassewagen, die vom Chef bezahlt sind, kommen indes nicht in diese Bredouille. Denn die fahren auch in der Baustelle links und zwar mit der annähernd gleichen Geschwindigkeit wie auf der freien Piste, die ich oben erwähnte.

Völlig merkbefreites Pack. Angepasste Geschwindigkeit ist das Zauberwort für unfallfreies Fahren. Das bedeutet, wenn die Bahn frei ist und es keine Begrenzung gibt, begrenzt mein Motor die Geschwindigkeit. Ansonsten der Verkehr oder die Beschilderung. Niemals aber – und das sollten sich die ganzen verdammten Möchtegernentscheider mal merken – niemals das Handy oder das eigene Ego. Ihr habt die linke Spur nicht gekauft und in einer Baustelle gilt auch für euch 80. Und euer Diesel ist nicht der Sportwagen, als den ihr ihn vom Chef bekommen habt.

Über

Ich schreibe hier über Fahrrad(politik), Politik an sich, Technik, unsere Familie und alles was mich sonst so bewegt.

4 Kommentare zu „Ich fahr’ links

  1. 2 kleine Bemerkungen:

    a) Du wirkst unentspannt in letzter Zeit

    b) mein Völvchen und ich sind Montag in Münster ;-)

  2. Nach der Woche war ich auch tatsächlich unentspannt. Was mich glücklicherweise nicht dazu verleitet, die Verhaltensweisen der o.a. angesprochenen Firmenwagentreiber anzunehmen. Man hätte mir von außen meine Unentspanntheit nicht angesehen. Im Gegenteil, ich mache sogar Platz, wenn von hinten mal eine Großkatze angeschossen kommt – im Zweifel habe ich dann jemanden, der mir die Bahn frei macht ;-)

    Aber es war heute von Münster nach Oeynhausen wirklich extrem schlimm. Stau ohne Grund bis Osnabrück und ab da dann eine einzige Dauerbaustelle. [seufz]

    Und der Dozent fand und fand vorher kein Ende – obwohl keiner mehr wollte und konnte.

    Aber jetzt sitze ich hier auf dem Sofa, gucke wie die Japaner von Brasilien massakriert werden (bin darüber ein bißchen traurig) und werde mir gleich noch einen kleinen Scotch gönnen. So schnell wie ich unentspannt bin, so schnell bin ich auch wieder gut.

  3. Achso … da habe ich zu 2. gar nix mehr geschrieben. Montag bin ich in – wie immer – in Oeynhausen. Münster ist nur Sitz der organisationseigenen Akademie und des Rechenzentrums. Nächster Termin dort ist IIRC Anfang/Mitte Juli.

  4. Ja, ja, es macht doch immer wieder Spaß das Verhalten der Deutschen anhand ihrer Fahrweise auf den Autobahnen zu beurteilen. ;-)

    Ich stehe da leider irgendwo zwischen den Stühlen. Auf der einen Seite fahre ich einen dieser Dieselheizer mit 2 Liter-Maschine – der Chef wollte mir partout kein W10 kaufen – doch auf der anderen Seite bin ich auch jemand, der in der Berufzeit das Maximum aus dem Auto rausholt.

    Du hast also mein “Mitgefühl” – auch ich muß mich ständig ausbremsen lassen und Möchtegernpissern in ihren dicken Autos hinterherfahren, weil sie keine Ahnung haben, wo das Gaspedal sitzt.

    Erinnert mich im Übrigen an diesen Blogbeitrag von mir, den ich quasi alle paar Tage erneut durchlebe.

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