Wulff

Ich bin entäuscht. Ich selber haue ja auch gerne drauf, wenn sich jemand nicht korrekt verhält und bemühe mich, mich halbwegs gesittet zu verhalten. Wahrscheinlich würde ich sogar wirklich nicht von einem Freund Geld leihen, wenn ich ein Haus kaufe. Tatsächlich habe ich das auch nicht getan, als wir hier eingezogen sind. Auch gebe ich Freunden etwas, wenn ich deren Ressourcen nutze und “schnorre” nicht einfach irgendwelche Leistungen.

Unser Bundespräsident hat das heute im Interview des ZDF anders gesehen. Für ihn ist es völlig normal, unentgeltlich Leistungen von Freunden in Anspruch zu nehmen. Es mag sein, dass es tatsächlich Kreise gibt, in denen das üblich ist. Wenn nun der Inanspruchnehmende allerdings das höchste Amt im Land inne hat und der Freund ein Industrieller ist, der den Politiker zudem auch noch auf Dienstreisen begleitet, dann finde ich das sehr befremdlich.

Man kann in so einem Fall nämlich nicht ausschließen, dass diese Hilfeleistungen in der Zukunft nicht im Gedächtnis bleiben und zu wie auch immer gearteten Gegenleistungen führen. Darum hätte Wulff moralisch in jedem Fall auf das Privatdarlehen verzichten müssen. Hat er aber nicht. Meinetwegen, ich finde das ziemlich ungehörig, könnte aber damit leben, wenn er es wenigstens offen gelegt hätte. Freiwillig. Aber selbst auf Nachfrage hat er sich auf Spitzfindigkeiten zurückgezogen und bröckchenweise immer mehr Details preis gegeben. Das geht gar nicht. Ich schimpfe meinen Jungen jedenfalls, wenn er versucht sich aus irgendeinem Blödsinn so raus zu lavieren.

Und dann das oben erwähnte Interview heute abend. Es müssen schon ziemlich schlechte Filme sein, die ich vom Fremdschämfaktor als Vergleich heranziehen kann. Was der arme Mann da an Selbstmitleid von sich gegeben hat und welche Ansichten er vertrat, hat mich ganz und gar überzeugt, nicht mehr “meinem” Präsidenten zuzuhören. So ein Mann hat nicht meinen Respekt. Das war eine ganz miese Vorstellung. Ein Schlag ins Gesicht von Menschen, die sich mal nicht eben so bei Freunden 500.000 Euro leihen können und denen die Banken nicht “per Handschlag” Darlehen gewähren. An solchen Aussagen sieht man, in welchen Sphären der Mann schwebt. So ein Mensch ist nicht dazu geeignet, mich zu repräsentieren.

Über

Ich schreibe hier über Fahrrad(politik), Politik an sich, Technik, unsere Familie und alles was mich sonst so bewegt.

6 Kommentare zu „Wulff

  1. Ich finde, er hat sich einfach nur dumm verhalten. Sowohl bei der Salamitaktik in Sachen Kredit, als auch im Umgang mit den Jounalisten. Ich hätte für meinen Hausumbau auch wohl einen Kredit eines Freundes in Anspruch genommen, wenn ich hier weniger Zinsen hätte zahlen müssen. Da wäre ich mir auch der nächste. Natürlich unter der Voraussetzung, das ich mich nicht strafbar mache. Dazu muß man auch sagen, das er zu diesem Zeitpunkt noch kein Bundespräsident war. Das entschuldigt das Verhalten natürlich nicht. Zu den Journalisten muß man aber auch sagen, das diese natürlich jederzeit in gewisser Weise Druck auf eine Person, wie den Bundespräsidenten ausüben können, wenn man über bestimmte Informationen verfügt, die nicht ins Bild passen. Woher wußte Wulff im Vorfeld von einer baldigen Veröffnetlichung des Artikels über den Kredit. Warum wurde nicht direkt mit Wulff gesprochen, sondern Informationen über Dritte gesammelt. Warum ist man nicht auf seinen Vorschlag eingegangen, den Artikel einen Tag später zu veröffentlichen. Er war zu diesem Zeitpunkt nicht im Lande. Hätte sich die Bild-Zeitung auch keinen Zacken abgebrochen. Wenn er vielleicht noch das ein oder andere richtig gestellt hätte, wärs keine Sensationsmeldung mehr gewesen. Das hat in meinen Augen mit sauberem Journalismus wenig zutun. Allerdings gefiel mir seine “rumweinerei” auch gar ncht. Da hätte er mehr Stärke zeigen müssen. Aber das Kind war ja vorher eh schon in den Brunnen gefallen.

    • > Ich finde, er hat sich einfach nur dumm verhalten.

      Leute, die sich dumm verhalten, sehe ich ungern in höchsten Ämtern.

      > Dazu muß man auch sagen, das er zu diesem
      > Zeitpunkt noch kein Bundespräsident war.

      Noch schlimmer: nicht nur relativ machtloser Repräsentant sondern mit umfangreichen exekutiven Vollmachten ausgestatteter Ministerpräsident.

      Solche Leute sind mir zuwider. Und solche solche Einträge wie der hier beantwortete sind entweder nur genauso dumm und einfältig oder sind in die Kategorie Astroturfing einzuordnen.

    • Wulff wußte jedenfalls schon mindestens seit einem Jahr von Recherchen unterschiedlicher Medien in Sachen Hauskredit. Er wollte ja erst den Einblick ins Grundbuch verbieten lassen (oder so etwas in der Art), ein Gericht hatte den Einblick dann erlaubt.

      Außerdem ist es in den Medien durchaus üblich, daß man vor einer Veröffentlichung auch Kontakt mit den Personen aufnimmt und ihnen Möglichkeit zur (Klar-)Stellungnahme bietet. Einen Tag halte ich da allerdings für (zu) kurz.

      Mich stört bei Wulff gar nicht mal so sehr der Kredit oder seine »Freunde«, noch seine allzu menschliche (aber dennoch unbeherrschte und dumme) Reaktion auf Diekmanns Anrufbeantworter. Mich stört das Rumgeeier von ihm.

      Der Bundespräsident in Deutschland ist ein überbezahlter Grüßonkel und Unterschriftenautomat (277000 Euro im Jahr, bis ans Lebensende, my ass!). Als »moralische Instanz« und für »Ruck-Reden« kann man einen Bundespräsidenten vielleicht gebrauchen – aber gerade als »moralische Instanz« paßt Wulff nun überhaupt nicht mehr (er paßte von Anfang an nicht in dieses für ihn zu große Amt, aber das ist ja eine andere Geschichte).

  2. Wenn Du gerade kein Minister- oder Bundespräsident bist, dann habe ich auch gar nichts gegen einen Kredit unter Freunden. Hier spielt doch die Position eine entscheidende Rolle! Deswegen finde ich den Kredit mindestens fraglich.
    Das “Rumgeeier” – niemand benutzt das Wort “Lügen” – geht aber überhaupt nicht. Das zeigt den Charakter des Menschen und bei seinem Job kommt es darauf nummal am meisten an. Das sage nicht ich, sondern seine Kumpel, wenn sie von der Beschädigung des Amtes reden. Beim Charakter kann man nicht zwischen privat und dienstlich unterscheiden. Jedenfalls nicht, wenn man den Job u.a. wegen seinem Charakter hat.

  3. @N.M.
    Ein Fall von Astroturfing liegt hier keinesfalls vor. Sondern dann wohl doch eher Dummheit. Vielleicht habe ich mich auch nicht ganz korrekt ausgedrückt, aber Hauptanliegen meines Kommentares sollte sein, das Verhalten der Medien anzuprangern. Denn das ging mir, bis auf die unerhörte Lügerei von Herrn Wulff, bisher am meisten auf den Senkel.

Schreibe einen Kommentar zu Lars Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*