Landratswahl 2007

Am 13. Mai wählen wir hier einen neuen Landrat. Da ich von den Kandidaten eigentlich nichts weiß und auch nicht, wofür sie stehen, habe ich etwas nachgelesen. Allerdings bin ich der Meinung, dass die “normalen” Parteiprogramme sich eh halbwegs ähneln. Vor allen Dingen, wenn es um so lokalen Klüngel geht. Alle wollen das Beste für die Region, mehr Arbeitsplätze … blabla … und den Weltfrieden.

Das reicht mir nicht, um mich zu entscheiden. Also habe ich zwei Fragen formuliert, die mich im Moment beschäftigen. Ob das albern ist oder nicht, mag jeder selbst entscheiden. Ich bezweifle jedoch, dass sich überhaupt viele Leute Gedanken machen. Und da sind zwei Fragen besser als gar keine. Und außerdem kann man ja an unserer Frau von der Leyen sehen, dass man auch aus der Provinz innerhalb kürzester Zeit oben mitspielen kann. Und wenn ich dann jetzt jemanden unterstütze, der später nur schwafelt oder fragwürdige Ansichten hat oder gar gefährlich ist …

Also schrieb ich am 20.04.2007 an die Kandidaten folgende Mail:

Hallo Herr/Frau Landratskandidat/in,

da ich ungern mein Kreuzchen mache ohne zu wissen, was und wen ich gerade unterstütze, habe ich Fragen, die mir meine Entscheidung zur Landratswahl erleichtern sollen:

1) Wie stehen Sie zu den Forderungen unseres Innenministers Schäuble im Hinblick auf Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchungen, biometrischer Ausweis und nicht zuletzt der Forderung nach Fallenlassen der Unschuldsvermutung in bestimmten Fällen?

2) Wie stehen Sie zu der derzeit laufenden Petition zur generellen Abschaffung der Radwegbenutzungspflicht (http://itc.napier.ac.uk/e-Petition/bundestag/view_petition.asp?PetitionID=395)?

Diese Fragen betreffen sicher nicht ausdrücklich nur lokale Gegebenheiten, helfen mir aber, mir einen Eindruck zu verschaffen.

Ich weise vorsorglich daraufhin, dass ich die mich interessierenden Fragen nebst den Antworten darauf u.U. den Lesern meiner Homepage zugänglich machen werde.

Vielen Dank für die Antworten im voraus!

Mit freundlichen Grüßen

Andreas Edler

Geantwortet haben bis jetzt (Grußformeln etc. habe ich gekürzt.):

Matthias Beier
Zu Ihren Fragen:

Das läuft offenbar Hand in Hand, nämlich weniger Demokratie und mehr Überwachungs-Staat. Ich würde es umgekehrt machen. Als Landrat kann ich zwar keine Gesetze umwerfen. Immerhin kann man aber Einfluss nehmen.

Die von Ihnen genannte e-Petition zur Abschaffung der Radwegbenutzungspflicht finde ich gut. Günstig wäre auch, dass bei mehrspurigen bzw. geeigneten Strassen die Rad-Fahrtrichtung gelockert wird. Ich kenne auch Strecken, wo nach Dienstschluss
die Herren “Ordnungshüter” selber immer auf falscher Seite fahren. Wir sollten keine Gesetze haben, gegen welche fast jeder täglich verstößt bzw. sogar verstoßen muss.
Ich werde die Petition mitmachen.

Betreffend der Radwege könnte man auch die Beschilderungen ändern, und damit ginge das Radfahren schon sofort besser.

Ralf Niermann
Zu Ihren Fragen weise ich nur darauf hin

1. dass ich als langjaehriger behoerdlicher Datenschutzbeauftragter sehr sensibel reagiere, wenn es um Gefahren fuer das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geht.

2. dass ich selbstverstaendlich davon ausgehe, dass Radwege von den Radfahrern zu benutzen sind.

Ein Einstieg in Details ist mir zeitlich im Moment nicht moeglich, was Sie sicher verstehen werden.

Bernhard Dierdorf
Zu Frage 1:

Die Versuche der Bundesregierung und hier im Besonderen die des
Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble, das Bedürfnis der Bürgerinnen und
Bürger nach innerer Sicherheit dazu zu nutzen, Deutschland zu einem
Überwachungsstaat umzugestalten, trifft auf meine energische Ablehnung. Die
Bundesrepublik Deutschland hat in den vergangenen sechzig Jahren
kontinuierlich an demokratischer Stärke gewonnen. Dies sollte uns in die
Lage versetzen, die gewachsenen rechtsstaatlichen Strukturen und hier
insbesondere die Grund- und Freiheitsrechte der Menschen nicht in Frage zu
stellen.

Hier ist eine sorgfältige und verantwortungsbewußte Abwägung von
Rechtsgütern durchzuführen. Dabei darf der Schutz der Freiheit nicht dem
Schutz vor Terrorismus untergeordnet werden. Für mich sind die
Freiheitsrechte und der Schutz der Privatsphäre der Menschen unwandelbare
und hochwertige sowie unantastbare Rechtsgüter. Die von Herrn Schäuble
betriebene Sicherheitshysterie muss entschieden zurückgewiesen werden.

Zu Frage 2:

Ich habe im Laufe der Zeit zahlreiche und mehrtägige Randwanderungen
unternommen. Dabei ist mir sehr häufig passiert, dass Radfahrerinnen und
Radfahrer abseits von Radwegen nicht so ganz ungefährdet am Straßenverkehr
teilnehmen. Nicht jeder Kraftfahrer hält den notwendigen Abstand zum
Radfahrer und nicht jeder Kraftfahrer kann oder will sich in die Situation
der Radfahrer versetzen. Weil dies so ist, schätze ich den Schutz der
ausgewiesenen Radwege.

Für die ausgewiesenen Radwege halte ich es für sinnvoll und für notwendig,
dass im Rahmen der Straßenverkehrsordnung die Verpflichtung, diese auch zu
nutzen, bestehen bleibt. Ich denke dabei ganz besonders an unsere Kinder und
Jugendlichen.

Frau Höger von “den Linken” hat sehr ausführlich geantwortet. Ich stelle die komplette Antwort mit ausdrücklicher Erlaubnis als PDF (98 KB) hier zur Verfügung. In diesem Post habe ich lediglich zwei kleine Abschnitte aus der Antwort zitiert.

Inge Höger
… [innere Sicherheit] …
… Die Aufgabe der Unschuldsvermutung in so genannten terrorismusrelevanten Ermittlungen halte ich für die Preisgabe eines zentralen Grundsatzes der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Ein Staat, der seine BürgerInnen nicht mehr grundsätzlich für unschuldig im Sinne des Strafrechts betrachtet, braucht entweder ein anderes Strafrecht oder ein Betätigungsfeld weitab der eigenen Bevölkerung. Hier halte ich es mit Berthold Brecht, der solch einer Regierung empfahl, sich ein anderes Volk zu wählen. Die Einschränkung auf Ermittlungen gegen Terroristen, die Herr Schäuble vorschiebt, ist so lange keine, wie die Bundesregierung keine feste Definition dessen abgibt, was sie unter Terrorismus versteht. Die bisher angebotenen Umschreibungen, wie sie in der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten im Gebrauch sind, sind so weit und vage, dass sie schier jeden Verstoß gegen geltendes Recht unter sich fassen können. Diesen leichtfertigen Umgang mit den Bürgerrechten und dem guten Ruf Unschuldiger halte ich für völlig inakzeptabel …

… [Radwege] …
… setze ich mich dafür ein, sicher befahrbare Radwege flächendeckend zur Verfügung zu stellen, um den Radfahrenden eine Alternative zu gefährlichen Fahrbahnen zu bieten. Ich halte es allerdings weder für sinnvoll noch für notwendig, deren Nutzung verpflichtend zu machen. Die Straßenverkehrsordnung wie auch die Gestaltung der öffentlichen Verkehrswege favorisieren den Kraftverkehr. In der Begegnung mit Automobilen sind Radfahrende wie auch FußgängerInnen schon deshalb rechtlich zu stärken, weil ihnen eine Knautschzone fehlt.

Jede Einengung der Rechte dieser beiden Gruppen gegenüber dem Kraftverkehr führt daher in die falsche Richtung. Aufgrund der Kräfteverhältnisse plädiere ich dafür, RadfahrerInnen die Nutzung der Fahrbahnen offen zu stellen, ihnen das Fahren auf Bürgersteigen aber nur unter dem strengen Vorbehalt zu gestatten, dass durch ihren Fahrstil die Sicherheit der FußgängerInnen nicht beeinträchtigt wird …

Hartmut Heinen
… [innere Sicherheit] …
Ich bin der Meinung, dass die Persönlichkeitsrechte aller Menschen eine hohe Priorität haben. Die Vorratsdatenspeicherung und die Online-Durchsuchungen sind meiner Meinung nach nur in Einklang mit diesen Persönlichkeitsrechten zu bringen, wenn ein Gericht oder der Staatsanwalt auf der Grundlage eines “dringenden Tatverdachts” diese anordnen. Der biometrische Ausweis hingegen ist aufgrund der von Terorristen und Straftätern praktizierten personellen Veränderungen ein geeignetes Mittel zur Verbesserung der Sicherheit. Der unbescholltene Bürger hat mit oder ohne biometrischen Ausweis keine Nachteile, insofern begrüsse ich die Einführung. Das Fallenlassen der Unschuldsvermutung sehe ich allerdings eher kritisch. Es ist mit meinem Rechtsempfinden nicht in Einklang zu bringen. Hier liegt die Beweislast meiner Meinung nach bei der Justiz.

Alles in allem bin ich der Auffassung, dass bei dringendem Tatverdacht der heutige Stand der Technik genutzt werden sollte um potenziellen Tätern das Handwerk zu legen. Es ist Aufgabe unserer Gesellschaft, Schaden von dem Einzelnen abzuwenden. Leider wird meiner Meinung nach die Diskussion hierüber viel zu sehr an der Beachtung der Rechte der Täter ausgerichtet. Die Opfer werden dabei meistens vergessen. Hier ist ein Wandel dringend erforderlich.

… [Radwege] …
die in der Petition aufgeführten Argumente sind nachvollziehbar für die hier geschilderten Fälle. Inwieweit die Aussagen jedoch Allgemeingültigkeit haben ist zumindest in ländlichen Gebieten, mit stark befahren Bundes-, Landes- und Kreisstraßen fraglich. Im Stadtgebiet würde ähnliches gelten, wenn alle Radwege entsprechend der “guten Absicht” der Benutzungspflicht in einem benutzbaren Zustand wären. Städte, die am Wettbewerb “fahrradfreundliche Stadt” des Landes NRW teilgenommen haben, wissen wie schwer es ist diesen idealen Voraussetzungen gerecht zu werden.

Für unseren, in großen Teilen ländlich geprägten Kreis ist die Benutzungspflicht auch zum Schutze unserer Kinder und Jugendlichen eher sinnvoll. Nicht zuletzt aus diesem Grund bauen wir zur Schulwegsicherung entsprechende Wege auch aus. Versieht man ein Gesetz mit zu vielen Ausnahmeregelungen, wird es schwierig im Einzelfall zu entscheiden welches Verhalten richtig ist. Ein “Abschaffen” der Verpflichtung wäre darüber hinaus ebenso mit dem Umstand verbunden, dass es Jahrzehnte dauern würde bis diese Änderung in die Köpfe der Verkehrsteilnehmer aufgenommnen wäre. (Die Regelung ist m.E. genauso geläufig wie die “Rechts vor Links Regelung” an Kreuzungen). Deshalb ist es ebenso nachvollziehbar, dass man an der Benutzungspflicht festhält.

Über

Ich schreibe hier über Fahrrad(politik), Politik an sich, Technik, unsere Familie und alles was mich sonst so bewegt.

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