Kein Helm auf?

Die ARD schreibt

Schwerer Unfall nach Etappenende … Laut Augenzeugenberichten trug Sinkewitz bei der Abfahrt keinen Helm …

Also eine unverifizierte “Hörensage”. Aber erstmal die Meldung bringen. Ohne Helm gefahren, selbst schuld der Sinkewitz. Ist ja auch saugefährlich. Allerdings sollte die ARD mal genauer auf ihre Aufzeichnungen schauen, denn die Schweizer bringen ein Bild von kurz nach dem Unfall, auf welchem ziemlich deutlich zu sehen ist, wie ein Helfer den behelmten Kopf des Radrennfahrers hält. Kann ja gar nicht sein! Nasenbeinbruch trotz Helm! Übrigens schreibt die FAZ dazu “Zum Glück trug er einen Helm, als er nach der achten Etappe der Tour in Tignes mit einem Zuschauer zusammenstieß.” Jeder dreht sich die Sache so zurecht, dass der Helm hilft.

Ja, man macht keine Späße über solche Unfälle. Und die Sportler fahren im Rennen auch ganz anders, als Otto Normalo auf der Straße, und jeder der möchte soll seinen Helm aufsetzen. Mir geht nur die Penetranz auf den Geist, mit der immer wieder für den Helm geworben wird, statt die Gründe für die Unfälle zu benennen!

Da gerade die Polizei Minden-Lübbecke auch wieder die Werbetrommel rührt und das Westfalen-Blatt schon aufgesprungen ist, wollte ich doch mal nachfragen, was gegen die ursächlichen Gründe der Unfälle getan wird:

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich verfolge regelmäßig den Presseticker der Polizei Minden-Lübbecke. Hier im speziellen die Berichte über Fahrradunfälle – nicht zuletzt, weil ich selbst sehr gerne das Rad benutze. Sei es um zur Arbeit zu fahren oder als Freizeitgerät.

Nun ist am 13.07. in Ihrer Pressemeldung eine Empfehlung für den Fahrradhelm veröffentlicht worden, der es natürlich auch bis in die lokale Presse geschafft hat.

Was mich an diesen Empfehlungen immer verwundert ist, dass sie in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Geschehen zu stehen scheinen. Außerdem wird mit dem Helm doch eine Ebene zu tief angesetzt. Sie sollten doch dort anfangen vor Verletzungen zu schützen, wo sie beginnen.

In den Pressemeldungen finden sich in diesem Jahr fast ausschließlich (“fast”, weil ich nicht ausschließen will, einen übersehen zu haben) Berichte über Radunfälle in Verbindung mit Radwegen oder kombinierten Geh- und Radwegen. Häufigste Unfallursache ist hierbei, dass Autofahrer einfach nicht auf die Radfahrer achten und beim Abbiegen oder Ausfahren aus Hofeinfahrten/Straßeneinmündungen den Radfahrer erwischen. Außerdem verursachen die meisten (mehr als 2/3) der Unfälle nur leichte Verletzungen – zumindest wenn sich die Relationen seit der “Unfallstatistik für den Kreis MI-LÜ” seit 2004 nicht geändert haben. Aktuellere Zahlen liegen mir hier leider nicht vor. Interessant dazu auch die Zahlen der Hannelore-Kohl-Stiftung zu den Schädigungsursachen für schwere Kopfverletzungen (u.a.): 39% Krankheit, 26% PKW-Unfälle, 1% Unfälle mit Fahrrädern.

In der erwähnten Verkehrsunfallstatistik von 2004 findet sich übrigens der Satz: “Ein großer Teil der Verkehrsunfälle mit Radfahrern ereignete sich vorwiegend in den größeren Städten des Kreises. Hier ist es für Radfahrer gefährlicher als in den ländlichen Bereichen.” Das ist einzusehen, da es in den Städten deutlich mehr benutzungspflichtige Radwege oder kombinierte Geh-/Radwege gibt, als “auf dem platten Land”.

Mir ist außerdem mehrfach aufgefallen, dass bei Berichten über Unfälle mit Radfahrern quasi entschuldigend das Wetter (starker Regen oder vor einiger Zeit im Münsterland die tiefstehende Sonne) bzw. Büsche erwähnt werden, weswegen die Sicht auf der Straße schlecht gewesen sei. In dem Kontext liest sich das dann immer so, als könne der Kraftfahrer nichts zu dem Unfall.

Langer Rede kurzer Sinn, liest man ihre Pressemeldungen und Statistiken bleibt festzuhalten:
1. Unfälle mit Radfahrern passieren fast ausschließlich auf oder im Zusammenhang mit Radwegen bzw. kombinierten Geh- und Radwegen.
2. Die weit überwiegenden Folgen sind leichte Verletzungen, schwere Kopfverletzungen sind eher selten.
3. Offensichtlich ist zum überwiegenden Teil Unaufmerksamkeit bzw. nicht angepasste Fahrweise oder schlicht Unkenntnis der Verkehrsregeln (nehmen der Vorfahrt!) der motorisierten Verkehrsteilnehmer der wesentliche Unfallgrund.
Liest man dagegen Ihre Empfehlungen, muß man sich einfach einen Helm aufsetzen.

Warum wird immer wieder der Helm beschworen, wo er doch nur einen winzigen Bruchteil der Unfälle tangiert und an den Ursachen schlicht gar nichts ändert? Warum apellieren Sie nicht an die Auto-/LKW-Fahrer als Hauptverursacher? Warum werden immer noch Radwege zur Benutzungspflicht ausgeschildert, wo Sie doch selbst schreiben, dass in ländlichen Gebieten (wo häufig schneller gefahren wird, dafür aber weniger Radwege vorhanden sind) deutlich weniger passiert, eine Benutzungspflicht für Radwege laut StVO die Ausnahme sein soll, gleichzeitig diese Ausnahme aber für die Mehrzahl der Unfälle sorgt?

Vielleicht lese ich die Meldungen zu selektiv oder deute die veröffentlichten Statistiken falsch. Jedoch scheint mir die erlebte Praxis Recht zu geben. Und in Gesprächen geben selbst die hartnäckigsten Radwegbefürworter zu, dass man diese Wege nur mit besonderer Vorsicht benutzen darf. Prima, da kann ich auch gleich zu Fuß gehen. Lediglich “vorsichtig” müssen sowieso alle fahren, Radfahrer werden durch Radwege jedoch zu “besonderer Vorsicht” gezwungen.

Ich selbst bin bereits zweimal von Autos angefahren worden. Beide Male auf benutzungspflichtigen Radwegen. Glücklicherweise beide Male mit glimpflichen Verlauf und lediglich Schäden am Rad. Täglich muß ich auf dem Weg zur Arbeit auf Radwegen besondere Vorsicht walten lassen, fast jeden Tag gibt es mindestens einen Autofahrer, welcher mir ohne zu schauen quer über den Radweg fährt und die Vorfahrt nimmt. Auf der Fahrbahn ist mir bisher noch nie etwas passiert.

Ich werde diesen Text auf meiner Homepage veröffentlichen. Eine eventuelle Antwort wird sicher den ein oder anderen Leser interessieren (auch wenn es nicht viele sind ;-) und ich würde diese dann – gerne auch ohne Namensnennung – ebenfalls veröffentlichen.

Mit freundlichen Grüßen

Andreas Edler

Ich weiß auch nicht, was ich mir von so einer Mail erwarte. Nichts wahrscheinlich. Aber wenn niemand etwas sagt und alle immer nur stumm die Meldungen schlucken … steht ja in der Zeitung, passt schon … ach, ich weiß auch nicht. Ich glaube, ich habe gar keine Lust mehr, mich um sowas zu kümmern. Sollen doch alle machen was sie wollen – und wenn dann die Helmpflicht da ist, fährt auch keiner mehr Fahrrad und man hat schön viel Platz auf der Straße für seinen großen Wagen …

Über

Ich schreibe hier über Fahrrad(politik), Politik an sich, Technik, unsere Familie und alles was mich sonst so bewegt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*