Fahrrad fahren in Münster

Wenn es um Musterbeispiele für Fahrradfreundlichkeit geht, wird Münster genannt. Grund genug für mich, das mal auszuprobieren – wenn auch nur im Kleinen. Schlußendlich hatte ich das Sub 30 doch noch hierhin bekommen und einer kleinen Tour stand nix im Wege. Also andere Klamotten angezogen und los.

Von der Akademie weg fuhr ich Richtung Innenstadt und mußte mich schon über den putzigen Rad-/Gehweg wundern. Sehr schmal, nur durch Leuchtpfähle von der Fahrbahn getrennt und von rechts mit ulkigen Büchsen halb zugewuchert. Trotzdem waren recht viele Radler unterwegs, die man allerdings nicht ungehindert überholen kann, da der durchschnittliche Münsteraner Radler offensichtlich auf seinem Hollandrad nicht geradeaus fahren kann.

Also Schulterblick, auf die Fahrbahn, am Torkler vorbei und wieder auf den Radweg – ich will mich ja an die Verkehrsregeln halten. Irgendwann war ich dann in der Innenstadt, in welcher sich die vorgebliche Radfreundlichkeit dadurch bemerkbar machte, dass man in einige Einbahnstraßen verkehrt einfahren und die Fußgängerzonen befahren durfte.

Was absolut beschissen ungenügend war, ist die für Ortsfremde nicht zu durchschauende Kombination von lustigen Piktogrammen auf der Fahrbahn, merkwürdig verschlungenen Fahrradstreifen, kombinierten Geh-/Radwegen und den Münsteraner Radlern, die sich darum einen Dreck scheren!

Vergeblich nach einer Ausschilderung suchend, habe ich dann doch noch den Aasee gefunden. In Oeynhausen sind die Radwege wenigstens ausgeschildert, wenn auch stellenweise in die falsche Richtung – aber immerhin ein Schild. Wie dem auch sei, der See war gefunden und ich wollte einmal dran lang oder rum. Geht aber nicht, weil dort nur ein Fußgängerweg ist, der von Nordic-Terroristen, Inlinern und besoffenen Fußballfans bevölkert wurde – und von ein paar (wahrscheinlich) einheimischen Radlern, die sich nicht an die Verkehrsregeln hielten.

Ich also die Schilder versucht in einen sinnvollen Zusammenhang mit den tatsächlichen Straßenverläufen zu bringen und immer wieder dieselben torkelnden Radfahrer überholt, die den Weg offensichtlich kannten und an denen ich jeweils vor einem kurzen Orientierungsstopp schon mal mit 36 km/h vorbei gefahren bin. Das ist wahrscheinlich der Trick in Münster: konstant 15 km/h durch die Gegend torkeln. Schnell fahren ist nicht drin.

Vor allen Dingen nicht, wenn man denn die überall mit blauen Schildern versehen Radwege benutzt. Hübsch rotes Ziegelpflaster mit reichlich Unebenheiten – und ich meine Unebenheiten – die einen bei über 30 km/h aus dem Sattel heben. Ich war froh über meine Klickpedale, sonst hätte ich mir sicher ein paar Mal böse die Klöten geprellt.

Hinter dem Aasee hatte ich dann die Faxen dicke von den Radwegen und bin auf die Fahrbahn ausgewichen. Das war entspannter und die Autofahrer schien es auch nicht gestört zu haben. Jedenfalls deutlich weniger, als es die Dosentreiber in OWL nervt, wenn man auf der Straße (auch wenn kein Radweg da ist) fährt.

Auf dem Rückweg habe ich noch einen Freund und Helfer in Grün nach dem Weg gefragt, der absolut erstaunt war, dass ich so weit vom Zielort entfernt war. Das wären noch … ach mindestens … wenn nicht noch weiter … so 4 Kilometer. Da hätte ich noch ‘ne Strecke zu fahren. Äh ja, is’ klar.

Das war jetzt sicher nicht repräsentativ und auch nur eine ganz, ganz kleine 30 Kilometerrunde, aber wer das Märchen von der Fahrradstadt Münster erfunden hat, wüsste ich schon ganz gerne. Ich glaube, da wird nur die Menge der rumkaspernden Fahrradfahrer gezählt. Meine Beobachtung heute abend war jedenfalls, dass die sich um die Gegebenheiten nicht besonders kümmern. Ist aber auch kein Wunder – ich schimpfe ja oft auf Oeynhausen im Zusammenhang mit Rad fahren, aber da kann man’s echt besser aushalten im Vergleich zu Münster.

Über

Ich schreibe hier über Fahrrad(politik), Politik an sich, Technik, unsere Familie und alles was mich sonst so bewegt.

2 Kommentare zu „Fahrrad fahren in Münster

  1. Hallo Andreas,

    anscheinend teil(t)en wir nicht nur die Leidenschaft für Zweitakter im geschwungenen Blechkleide sondern auch die Leidenschaft für das Radfahren. Schön schön…

    Ich habe mich auf deinen Senf verirrt als Münsteraner Radfahrer, der Feedback von Nicht-Münsteranern über den Radverkehr in Münster suchte.

    Ich bin nicht nur bei Dir fündig geworden, sondern auch an anderen ADFC-lastigen Stellen. Der Tenor ist allerdings genau derselbe: Viel Show um gar nichts!

    Das schlimme ist nur, dass ich Dir und allen anderen damit voll zustimmen muss. Die Promenade als vielzitierte Fahrradautobahn kreuzt spätestens alle anderthalb kilometer Vorfahrtsstraßen, Hundebesitzer spannen die Leinen ihrer wild rumkotenden Fellmonster quer über die Fahrbahn und Penner entsporgen nachts ihre Flaschen im hohen Bogen darauf. Im Zentrum wird die Tradition mit Kopfsteinpflaster gepflegt, außerhalb wird eine neue Tradition mit Radwegen als Buckelpiste heraufbeschworen.

    Die Planung der Radwege ist genau so beschissen, wie in anderen Kommunen auch. Auch in Münster gibt es eine CDU-Ratsfraktion und einen ADFC, die uni sono postulieren, das Radwege der Weisheit letzter Schluss sei. Demzufolge werden immer wieder neue Radwege gebaut, ohne sich um die VwV zur StVO zu kümmern, denn die kann man als Nachweis der Radverkehrsförderung medienwirksam vorweisen. Um alte Radwege wird sich nicht mehr gekümmert, ja sie werden oftmals nicht mal gekehrt.

    Auch hier gibt es massenweise oberlehrernde Autofahrer, die ihr lückenhaftes Wissen um Recht und Ordnung im Straßenverkehr ungefragt mit Gefährdung und Nötigung an den Mann zu bringen versuchen, auch hier gibt es Verkehrsteilnehmer, die jedem “ist ja nur ein Radfahrer” nach Vorfahrt, Bewegungsraum und schlimmstenfalls Leben und Gesundheit trachten. Der Vorteil von Münster ist alleinig der, dass es hier saumässig viele Radfahrer gibt. Über deren Qualität hast Du ja selbst schon eine Aussage getroffen, der ich leider voll und ganz zustimmen kann.

    In diesem Sinne kann ich den vertrahlten ADFC auch nicht verstehen, der Münster zum Sieger des Fahrradklimatests erkoren hat. Vielleicht hat es sich der ADFC aber auch nur sehr einfach gemacht und gesehen, dass hier viele Radfahrer rumwuseln, daraus geschlossen, dass sich diese hier wohl wohl fühlen und das Prädikat vergeben.

    Alles nur Show…

    Gruß
    Olli

  2. Hallo Andreas,
    wohne selbst in Münster und kann deinen Eindruck nur voll bestätigen.
    Fahrradfreundlich ist die Stadt wohl eher aus Sicht der Autofahrer. Vielleicht auch noch für vollgefederte ADFC-orientierte Radtouristen, die am Tag dann sagenhafte 40 KM auf den Schotterpisten des NRW-Radwegenetzes zurücklegen und den münsterländer Hotels und Pensionen (klassisches FDP/CDU-Klientel) gesicherte Einnahmen bescheren. Für längere Strecken kommen dann die Räder auf den Dachgepäckträger. Mit ökologischer Verkehrspolitik hat das rein gar nichts zu tun. Schwarz-gelbe Wirtschaftsförderung mit klarer Priorität der freien Fahrt für den freien Autofahrer.
    Prinzipiell werden hier alle Radwege und Pseudo-Radwege als benutzungspflichtig deklariert. Das widerspricht zwar klar der Gesetzeslage, scheint die Verantwortlichen und den hiesigen ADFC aber nicht zu interessieren. Stattdessen werden noch mehr Radwege gefordert. Teuer bezahlte Verkehrsgutachten, die zum Schluss kommen, dass dringend eine Reduzierung der KFZ Geschwindigkeit geboten ist und dass die Radverkehrsanlagen in untauglichem Zustand sind werden einfach ignoriert. Stattdessen sollen jetzt Fahrradfahrer von Fahrradpolizisten mit Videokameras (!) observiert werden. Die häufigen durch Radwege forcierten Knotenpunktunfälle werden aber weiter in Kauf genommen.
    Wenn ich mit dem Renner in der Stadt fahre ist das eine echte Tortur für Gelenke und Sehnen, da fast alle Radwege untauglichen holprigen Pflasterbelag haben. Mittlerweile wird man oft schon bei 20 Kmh aus dem Sattel gehoben. Zudem sind sie für die Verkehrsbelastung viel zu schmal geplant. Da ist es kein Wunder, wenn hier nur mit knapp 15 Kmh gefahren wird. Aber auch mit besserem Belag käme man nur langsam voran, da i.d.R. keine (legalen) Überholmöglichkeiten bestehen.
    Was die münsterländer Autofahrer angeht kann ich Olli nur zustimmen. Hupen und Abdrängeln ist üblich, sobald man die Holperwege verlässt. Da fährt sich’s in Regionen mit weniger Radwegen deutlich schneller, komfortabler und sicherer. Zudem hat sich im Umland die Sitte breitgemacht benutzungspflichtige einseitig geführte kombinierte Rad-Gehwege anzulegen. Bezeichnenderweise meist neben Baumreihen, so dass mangels nachhaltiger Pflege wenige Jahre nach Erstellung eine weitere “Wurzelpiste” das sichere und zügige Fahren verhindert.
    Weil dann auch noch zunehmend Bundesstrassenverbreiterung und Streckenneubauten dazu benutzt werden die Strecke für Fahrradverkehr gänzlich zu sperren (natürlich ohne die dann vorgeschriebene Ausweichbeschilderung), wird es immer nerviger lange Strecken zu fahren. Das ging vor 30 Jahren deutlich besser, und auch noch vor 10 Jahren war es angenehmer (und sicherer!) lange Strecken zu fahren.
    Ich überlege gerade, was man so unternehmen kann, um die Kluft zwischen Propaganda (fahrradfreundliche Stadt/Region) und Realität (beständige Verschlechterung für die FahrradfahrerInnen) aufzuzeigen. So bin ich auch auf diese Seite gestossen. Wär toll, wenns das für Münster – jenseits der ADFC-Mängelkartenaktion – auch geben würde.

    viele Grüße und:
    weiter so …,
    Andreas

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