Abstand beim Überholen – 30 Zentimeter reicht nicht

Die Fahrbahn des Dörgen ist so ungefähr 6 Meter breit. In vielen Teilen parken ein-, manchmal auch beidseitig Fahrzeuge. So auch vorhin, als ich von der Fraktionssitzung nach Hause kam. Ich fuhr in östlicher Richtung, auf der gegenüberliegenden Seite parkten Fahrzeuge. Ich fuhr – wie es die Polizei und der ADFC empfehlen und Verkehrsrichter “vorschreiben” – ca. 1 Meter vom rechten Rand entfernt mit ca. 25 Km/h. Ich hatte gerade auf meine Vivoactive geschaut, da mich ein KFZ völlig in Ordnung überholt hatte (wenngleich auch recht zügig, was mich zum Blick auf die Uhr veranlasste).

Just in dem Moment kam von hinten schnell ein Motorgeräusch näher und war dann kurz recht dicht hinter mir zu hören, blendete einmal auf und überholte mich dann.

Sechs Meter Fahrbahn, mein Lenker ist ca. 60 Zentimeter breit, ich fuhr ca. 1 Meter vom rechten Rand entfernt, macht 1,30 Meter bis zur linken Außenkante meines Lenkers. In Gegenrichtung parkten Fahrzeuge. Sagen wir mal, deren linke Kante vom Außenspiegel (inkl. dem Abstand des Wagen zur Bordsteinkante) ist 2 Meter vom rechten Fahrbahnrand des Autos entfernt. Das mich überholende Fahrzeug war ein Skoda Yeti, welcher inkl. Außenspiegel 1,96 Meter breit ist.

6,00 Meter – 1,30 Meter – 2,00 Meter – 1,96 Meter = 0,74 Meter. Ich vermute, der Skoda-Fahrer wird nicht mit 0 Zentimeter Abstand am parkenden Fahrzeug entlang gefahren sein. Er hat Angst um sein Blech, also waren das mindestens 40 Zentimeter – was großzügigerweise immer noch weniger ist, als einem in der Fahrschule beigebracht wird! 0,74 Meter – 0,40 Meter = 34 Zentimeter.

Vierunddreißig Zentimeter ist der so errechnete Abstand des rechten Außenspiegel des Yeti von meinem linken Lenkerhörnchen. Gefühlt hätte ich gesagt, der Yeti-Fahrer hatte mehr Abstand zum parkenden Auto und weniger zu mir, aber sei’s drum. Selbst die netterweise von mir angenommenen 34 Zentimeter sind schon viel zu wenig und haben mich zu einem – wirklich erschrockenen – “EEEY” animiert. Daraufhin ist der Yeti-Fahrer in die Eisen gegangen, fuhr langsam weiter, ließ die Beifahrerscheibe runter, brüllte irgendwas raus und fuhr dann ziemlich zügig weiter.

Symbolbild – zeigt nicht die beschriebene Situation
Das Nummernschild kam mir allerdings bekannt vor und ich bin einfach mal gemütlich hinterher gefahren. Er war denn auch vor seiner Garage und rief mir zu “Ja, das war ich!”. Im folgenden Gespräch zeigte er sich völlig uneinsichtig, erklärte mir, ich wäre einen Meter (war sogar seine Schätzung) vom Rand entfernt gefahren und hätte ihm als Autofahrer den Weg versperrt, das dürfe ich gar nicht. Das seine Aktion egoistisch, rücksichtslos, gefährlich, verboten und (nach seinen Erklärungen) auch noch erzieherisch war, wollte er nicht einsehen. Ich solle mich an meine eigene Nase fassen und mich beim Fahrradverband über die Verkehrsregeln informieren. Nun, ich hatte meine ADFC-Windjacke an. Soviel dazu. Ich habe ihm gesagt, dass ich so ein Verhalten widerlich finde, woraufhin er mir nur sagte “Noch ein Wort!” … nun, wenn er mich so auffordert, wiederhole ich das widerlich natürlich :-)

Selbst wenn er gar keinen Abstand zum parkenden Auto gehabt hätte, wäre der Abstand zu mir nur knapp 70 Zentimeter gewesen. Vorgeschrieben sind 1,50 Meter! Mehr als das Doppelte! So lange solche Autofahrer unterwegs sind, wird das nichts mit dem Radverkehr. Und leider gibt es so gut wie keine öffentliche Kommunikation zu dem Thema. Die Polizei kontrolliert immer nur die Radfahrer, ob bei denen das Licht brennt. Um dann festzustellen, dass nur unter 10% Mängel an der Beleuchtung haben. Und natürlich soll man einen Helm aufsetzen, sonst geht die Welt unter!!11 Mein Licht funktioniert und war an und ob der Helm irgendjemanden dazu animiert, Einmeterfünfzig Abstand zu halten, wage ich zu bezweifeln.

Ich weiß nicht, wie man die Rücksicht in die Köpfe solcher Autofahrer bekommen kann. Ich weiß nicht, wie man Kommunen und Polizei dazu bringen kann, endlich mal Kommunikation in Richtung der Autofahrer zu betreiben – wohlgemerkt mit dem gleichen Eifer, wie er beim Helmmissionieren und Lichtkontrollieren an den Tag gelegt wird.

Ich weiß nur, dass ich keine Lust habe, mich von uninformierten Egoisten anfahren zu lassen. Muss ich beim nächsten Mal eben wirklich in der Mitte der verbleibenden Fahrbahnbreite fahren.

Über

Ich schreibe hier über Fahrrad(politik), Politik an sich, Technik, unsere Familie und alles was mich sonst so bewegt.

4 Kommentare zu „Abstand beim Überholen – 30 Zentimeter reicht nicht

  1. Bei Uneinsichtigkeit hilft vielleicht nur eine Anzeige. Dass diese nicht weiter verfolgt wird, steht erstmal auf einem anderen Blatt. Dieses Verhalten, inklusive Belehrung und Uneinsichtigkeit, ist eine Gefährdung der Straßenverkehrsteilnehmer. Zudem ist auf dem Dörgen eine Höchst(!)geschwindigkeit von 30 km/h, aber das muss ich dir ja nicht erzählen. Dass 1,50m auch noch der *Mindest*abstand ist, ebenfalls nicht.

    Eventuell sollte man nicht nur die Regeln für alle Verkehrsteilnehmer immer wieder predigen, sondern auch, dass es sich nicht um eine Mindestgeschwindigkeit handelt, die man auf »Teufel komm raus« einhalten »muss«.

    Zum Schulanfang werden gerne die “Runter vom Gas”-Plakate aufgehängt und an neuralgischen Stellen zeigt die Polizei Präsenz. Das ist gut und schön: Am ersten Tag ist man kurz sensibilisiert, danach ist die Präsenz weg. Ähnlich wie beim »Blitzer-Tag«. Von Ermahnungen, Bußgeldern oder Hinweisen auf einen Mindestabstand und Belehrungen wie “wenn man nicht mit Mindestabstand überholen kann und der Gegenverkehr ebenfalls nicht gefährdet wird → bleiben lassen und warten” habe ich bislang nichts mitbekommen.

    Die Lösung könnten generelle Tempo 30-Zonen in Städten sein, sodass fahrende Verkehrsteilnehmer mehr Muße an den Tag legen müssen, inkl. Blitzern wie in niederländischen Ortschaften. Viel schneller kann man (vor allen) in (Groß-)Städten sowieso nicht fahren. Generell ist mein Empfinden anderer Verkehrsteilnehmer beim Autofahren “bei 30 km/ ist knapp unter 50 km/h völlig okay”.

    • Das solche Anzeigen grundsätzlich eingestellt werden ist eigentlich genau der springende Punkt. Das kommt nicht als “Glück gehabt”, sondern als “Recht gehabt” bei den Betroffenen an. Die Kontrollen der Polizei tun ein Übriges dazu.

      Was der “Herr” gemacht hat fällt schon gar nicht mehr unter die StVO. Da muss man schon ins Strafgesetzbuch gucken. Nur mal erwähnt, weil der Betreffende so auf die Regeln pocht. Da steht es: § 317c.

      Von pauschal Tempo 30 innerorts halte ich im übrigens Garnichts. Hauptstraßen verlieren dadurch ihre Sammelfunktion und der Verkehr wird mehr an Stellen verteilt, wo man ihn nicht haben will. Außerdem ist das große Problem, dass selbst für kürzeste Strecken meist das Auto genutzt wird. Gerade auf diesen Strecken braucht einen in Summe ein solches Tempolimit aber nicht jucken, da man kaum Zeit verliert. Der aktuelle Vorfall fand dazu in einer 30-Zone statt. Ein schöner Nachweis, dass das gegen Blödheit auch kein Mittel ist.

      In erster Linie trifft man damit Langstreckenfahrer in ländlichen oder zersiedelten Gebiet, die meist auch noch auf das Auto angewiesen sind und trotzdem fahren werden.

      Ich bin daher ganz klar der Meinung, dass man die aktuellen Regeln konsequenter umsetzen sollte, sowohl bei Kontrollen als auch bei der Gestaltung der Infrastruktur (alternativen Fördern!), bevor man sich wieder neue aus dem Kreuz laiert, und diese dann wieder schleifen lässt. Es gibt (auch abseits der StVO) immer strengere teils willkürlich überzogene Regeln, da man bei der Fassung dieser davon ausgeht, dass das eh nicht befolgt wird. Das kann es meiner Meinung nach nicht sein.

  2. Nachdem mich gestern ein Linienbus fast auf die Schippe genommen hat der ein vor ihm parkendes Auto überholte und mich als Radfahrer auf der Gehweg drängte, ist mir die selbe Geschichte heute auf dem Motorrad passiert, allerdings mit einem PKW und bei Tempo 50.
    Ich habe keine Ahnung warum diese Leute Leben riskieren um 30 sec schneller am Ziel zu sein und vor allem weiß ich nicht, wie ich darauf angemessen reagieren soll.
    Das Faustrecht wurde ja leider abgeschafft.
    Nach solchen Erlebnissen feiert man erst einmal Geburtstag und ist froh mit heiler Haut davon gekommen zu sein.
    Verklagt man solche Hirnis, stellt man sie zur Rede und riskiert irgendwelche blöden Kommentare, die alles nur schlimmer machen???
    Ich bin ratlos!

    Beste Grüße

    Martin

  3. Solche Erlebnisse kommen mir bekannt vor. Seitdem ich einen längeren Arbeitsweg habe und diesen im Sommer radelnd bestreite, passieren solche Dinge täglich.

    Vor knapp 2 Monaten wurde ich so knapp überholt, dass es mich fast vom Rad gefegt hat. Den Autofahrer habe ich an der nächsten Kreuzung eingeholt und zur Rede stellen wollen.

    Dieser war davon nicht erfreut und hat direkt Gas gegeben und ist mir ins Rad gefahren. Anschließend ist er davon gedüst. Leider habe ich mir das Nummernschild nicht gemerkt. Ehrlicherweise war ich auch zu geschockt davon.

    Zumindest finde ich Trost, dass es ein neuerer dicker BMW war und dieser zumindest über einen schönen Kratzer verfügt. Die Frage die sich mir stellt, was sind was für Leute?

    Ob eine Anzeige was bringt halte ich auch für zweifelhaft, siehe:

    http://dasfahrradblog.blogspot.de/2016/08/autofahrer-notigt-radler-im-fasanenhof.html.

    Im Zweifelsfall geht der Schuss nach hinten los.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*