Angeditscht

Nun hat’s mich auch mal erwischt. Ich bin nicht unsicher auf dem Rad und ich lasse mir nicht die Butter vom Brot nehmen. Das wirkt sicher auf manche Autofahrer wie ein rotes Tuch, aber ich halte mich an die Regeln. Und auf Krawall bin ich schon länger nicht mehr aus. Insofern rege ich mich zwar auf, wenn mich jemand anhupt, aber das war’s dann auch. Manchmal lässt dann irgendein besonders testosteron gesteuerter Leithirsch das Beifahrerfenster runter und brüllt etwas … aber was soll’s. Ich frage dann ob er zuviel Zeit hat und rate ihm einfach weiter zu fahren. Kommt häufiger mal vor.

Eben stehe ich einer langen Schlange an einer Ampel. Vor mir 6 oder 7 Autos, die Ampel wird grün, alle rollen langsam an. Ich natürlich auch. Und ich war exakt in der rechte Spurrinne der Kraftfahrzeuge. Da wo der rechte Reifen rollt, so wie es vom ADFC empfohlen wird. Als ich gerade richtig reintrete, weil es beginnt vorwärts zu gehen, hupt es direkt neben mir. Ich erschrecke, gucke zur Seite, brülle “Hey” (oder sowas, nichts beleidigendes) gucke nach vorne und muß voll in die Bremsen gehen, weil der Vordermann plötzlich saudicht vor mir ist.

Ganz offensichtlich sind meine Bremsen gut, denn das Hinterrad hebt sich abrupt und das Fahrrad berührt nicht mal mit irgendeinem Anbauteil den vor mir fahrenden Mercedes. Wohl aber ditscht meine Stirn ziemlich senkrecht von oben auf den hinteren rechten Kotflügel. Das fühlt sich ziemlich dumpf an kann ich nun aus eigener Erfahrung sagen. Am Rad ist nichts, nichteinmal die billige Plastikfahrradbrille vom Kaffeeröster hat einen Kratzer. Am Auto war auch nichts zu sehen. Nur das Blut floss mir natürlich sofort vor den Augen herunter.

Naja, blöd gelaufen. Immerhin bin ich auf den Vordermann aufgefahrenschlagen. Der konnte wirklich nichts dazu. Ich habe mir dessen Kennzeichen notiert – haben die beiden selbst angeboten, nachdem sie mir noch ein Tuch zum Blut abtupfen gegeben haben – und dann sind die beiden weiter. Der Fahrer des Wagens der gehupt hat, hielt jedoch an und lamentierte rum. Ich war natürlich auch sauer, mir war aber schon klar, dass das eine ziemlich brotlose Situation war. Kenne ja die Polizei. Die hat der Fahrer des Wagens dann gerufen.

Wie erwartet haben die den Unfall aufgenommen, konnten aber bei keinem ein Fehlverhalten entdecken. Das Hupen wäre OK gewesen, weil die Frau und der Mann behaupteten, ich wäre auf der Fahrbahn zur Mitte getorkelt. Dass er in einer Kolonne neben mir fuhr, schien keinen zu stören. Einer der beiden Polizisten erzählte mir sogar, dass man mit dem Rad nunmal langsamer sei, als mit dem Auto. Das wir gerade am Anfahren waren, ließ ihn kalt. Ich müsse mit Hupen rechnen.

Tja, und ein bisschen hadere ich mit mir, weil ich ja nun aufgefahren bin. Ich bin schnell dabei, anderen in so einem Fall zu sagen, dass sie dann wohl zu dicht dran waren. Das muss ich dann auch bei mir gelten lassen. Insofern: ganz blöd gelaufen. War eben noch kurz im Krankenhaus, weil Alex meinte, dass sich das mal jemand ansehen sollte. Ist aber nur desinfiziert worden und dann wurden die Hautfetzen zusammen geklebt. Mir ist nicht schwindelig, ich kann normal geradeaus gucken und ich habe keine Kopfschmerzen. Ich schätze, so fühlt sich ein Boxer nach einem Kampf an ;-)

Das Intermezzo hat mir natürlich meinen Schnitt kaputt gemacht. War eigentlich ganz gut unterwegs. Hoch zur Lohe, dann bis Exter und über Vlotho zurück.

27,3 Km | 25 Km/h Schnitt | 50,4 Km/h max. | 220 Höhenmeter

Über

Ich schreibe hier über Fahrrad(politik), Politik an sich, Technik, unsere Familie und alles was mich sonst so bewegt.

7 Kommentare zu „Angeditscht

  1. Dumm gelaufen, Andreas! Aber als Radfahrer hat man leider keine Knautschzone. Da gehts gleich auf die Knochen, wenn es knallt. Aber wenn's bei dem kleinen Ditscher geblieben ist, hast Du noch Glück im Unglück gehabt. Gott sei Dank. Gute Besserung!

  2. Die Polizisten sollten dringend mal zur Nachschulung. Wie soll denn das Hupen OK gewesen sein? Wenn Du tatsächlich zur Mitte getorkelt bist, dann wäre ja wohl Bremsen und/oder Ausweichen die korrekte Reaktion des Autofahrers gewesen. Hört sich eindeutig nach "Vorbeiquetschen, obwohl kein Platz da ist" an. In Kombination mit "Überholen, obwohl gar nicht schneller". Trauriges Bild, das Die Polizei da abliefert.
    Gute Besserung!

  3. @tu: Deine Einschätzung zum Ablauf passt 100%ig … leider ist man da bei 2 gegen 1 aufgeschmissen. Und als Radfahrer auf so einer Straße hat man prinzipiell schon den schwarzen Peter. Lief alles sehr ruhig ab, aber wenn ich "Terror" gemacht hätte, wäre womöglich ich noch der Dumme gewesen von wegen auffahren und so :-/

  4. Gute Besserung, mein Lieber. Wir Fahrradfahrer sind eine gefährdete Spezies!

    Hier in der Schweiz ist das streckenweise schon Freiwild, was dazu geführt hat, dass sich die Fahrradfahrer mittlerweile ebenfalls zu Asphalt-Terroristen entwickelt haben… keine schönes Verhalten hier…

  5. Bei einem ausreichenden Sicherheitsabstand des PKW wäre ein zur Mitte torkeln im übrigen überhaupt kein Problem gewesen. Letztlich ist genau das das interessante: Wenig im Verkehrsrecht bewanderte reißen sich durch Ihre Schutzbehauptungen in der Regel noch selber rein. Das traurige: Wenn man keine Lobby hat, dann ist das der Polizei natürlich völlig wuppe. Ich glaube die haben in aller Regel einfach keinen Bock.

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