Motorisiertes Selbstverständnis

Montagmorgen fahre ich auf dem Weg zur Arbeit aus Norden kommend auf die Blöbaum-Kreuzung zu. Der Verkehr in Richtung Innenstadt hat grün, ich rolle zügig auf die Ampel zu, als plötzlich ein Abfallentsorgungslastwagen eines örtlichen Entsorgers direkt vor mir ohne zu blinken über die dick rot markierte Fahrradfurt fährt, um nach rechts in die Werster Straße abzubiegen. So ein Arschloch! Das war echt knapp, ich habe heftig gebremst und bin ganz offensichtlich nicht unter die hintere Zwillingsbereifung geraten. Aber alles normal, interessiert keinen Fahrer eines motorisierten Fahrzeuges.

Der Fahrer war gegenüber "nur schnell" eine Currywurst essen
Der Fahrer war gegenüber “nur schnell” eine Currywurst essen

Kurz danach an der Querung der Mindener Straße die üblichen LKW, welche noch schnell bei dunkelorange durch huschen und vor dem Gebrauchtwagenhändler an der Steinstraße parkte dann ein großer Mercedes komplett auf dem Radweg. Der Fahrer schlenderte vor den Autos umher und ich habe dann angehalten und den Mercedes fotografiert. Was natürlich den Fahrer sogleich animierte, eine Unterhaltung anzufangen. Das war Zweck der Übung.
Ich warte doch nur ... (nicht der Wagen aus dem Text oben)
Ich warte doch nur … (nicht der Wagen aus dem Text oben)
Wir haben dann 10 Minuten hitzig diskutiert und er hat schlußendlich ziemlich angepisst seinen Wagen tatsächlich vom Radweg gefahren. Davor kamen aber alle möglichen “Argumente” von “Ich bin nicht von hier!” (als ob in Hannover andere Regeln gelten) über “Mein Wagen hat gestottert!” (Verarschen kann ich mich alleine.), “Ich stehe doch und gefährde niemanden.” und “Ich fahre doch gleich da auf den Hof.” bis “Du kannst doch noch vorbei fahren!”. Völlig selbstverständlich für ihn, dort den Weg zuzuparken.
Es wäre ja auch mit mehr Aufwand verbunden, auf das Gelände des Autohändlers zu fahren. Dann lieber den Verkehr behindern.
Es wäre ja auch mit mehr Aufwand verbunden, auf das Gelände des Autohändlers zu fahren. Dann lieber den Verkehr behindern.

Auch der Autotransporter, welcher bei Blöbaum 1(!) KFZ auflud, stand völlig ohne das in Frage zu stellen komplett auf dem Geh- und Radweg. All diese Spezialisten sind aber wahrscheinlich die Ersten die mich von der Fahrbahn weghupen, wenn ich dort mit dem Rad unterwegs bin.
Ich habe Verständnis dafür, dass man Betsandsaufnahmen macht. Das man mir rät, ich kann doch durch die Rabatten fahren, wenn es mir zu lange dauert, finde ich mittel lustig.
Ich habe Verständnis dafür, dass man Betsandsaufnahmen macht. Das man mir rät, ich kann doch durch die Rabatten fahren, wenn es mir zu lange dauert, finde ich mittel lustig.

In einer auf die Parkepisode folgenden Diskussion wurde mir sofort zugestimmt, dass das gar nicht geht. Es dauerte allerdings keine 2 Minuten, bis “Aber neulich ist mir da ein Radfahrer bei rechts vor links vor’m Auto hergezogen …” angeführt wurde. Es ist immer das gleiche. Das Fehlverhalten von Autofahrern wird immer gegen das der Radfahrer aufgerechnet und damit indirekt gerechtfertigt. Das zum einen das KFZ das weitaus größere Gefährdungspotenzial hat, dass es von Autofahrern gar nicht als Verstoß wahrgenommen wird, Radwege zuzuparken oder beim Abbiegen nicht auf Radfahrer zu achten, wird dabei völlig ausgeblendet.
Völlig verständlich, wo soll der Fahrer auch sonst telefonieren? War mega-sauer, als ich ihn angesprochen habe.
Völlig verständlich, wo soll der Fahrer auch sonst telefonieren? War mega-sauer, als ich ihn angesprochen habe.

“Aber der und der hat das und das gemacht …” ist das schlechteste Argument, welches man in einer solchen Situation bringen kann. Lernt man doch schon in der Schule dass “Kevin hat aber auch …” höchstens dazu führt, dass die Strafarbeit noch länger wird. In Diskussionen über den Straßenverkehr ist das absolut üblich und anerkannt.
Wenn ich nur kurz was an der Tanke brauche, dann parke ich halt auf dem Radweg. Wen interessiert's?
Wenn ich nur kurz was an der Tanke brauche, dann parke ich halt auf dem Radweg. Wen interessiert’s?

Wenn ich auf die Unsitte des Zuparkens von Radwegen hinweise interessiert es nicht und hat auch keinen Zusammenhang, dass es Radfahrer gibt, die kein Licht anhaben. Da gibt es keinen kausalen Zusammenhang und man kann die Dinge auch nicht miteinander verrechnen.
Ich hab's eilig, da können alle anderen wohl mal Rücksicht nehmen!
Ich hab’s eilig, da können alle anderen wohl mal Rücksicht nehmen!

Ich mache ab und an Fotos von solchen Gelegenheiten. In den letzten 15 Jahren habe ich davon – wenn ich mich recht erinnere – einmal was an das Ordnungsamt geschickt, weil der entsprechende Fahrer nach Ansprache so frech und dreist wurde. Die Bilder oben sind aus den letzten Monaten und völlig willkürlich. Ich mache auch nicht von allen Falschparkern Fotos, da hätte ich viel zu tun. Gerne mache ich das, wenn ich den Fahrer/in irgendwo sehe. Am Montag endete das dann für mich überraschend, dass der Falschparker tatsächlich wegfuhr. Das war bisher das einzige Mal, dass das passiert ist. In allen anderen Fällen werde ich nur angeschnauzt :-( Autofahrer fühlen sich dabei völlig im Recht. Das ist das Problem. Und das kann und darf man nicht mit irgendwas anderem aufrechnen.

Über

Ich schreibe hier über Fahrrad(politik), Politik an sich, Technik, unsere Familie und alles was mich sonst so bewegt.

3 Kommentare zu „Motorisiertes Selbstverständnis

  1. “Das ist das Problem.”

    Ja.

    Aber das wird nichts besser wenn danach nichts von Ordnungsamt kommt. Dann wissen sie nämlich das nicht nur nichts passiert, sondern das in dubio frech ‘rumschnautzen besonders gut hilft.

    Photo ans Ordnungsamt, mit Datum und Uhrzeit. Dazu schreiben das man selbstvertändlich gerne als Zeuge zur Verfügung steht, und, so passiert, das der Fahrer dabei war und sich standhaft weigerte das Fahrzeug wegzufahren sodaß man gezwungen war abzusteigen und zu schieben.

    In Dachau hilft das.

  2. Hallo Andreas!

    Du hast absolut recht damit, dass die Einstellung bzw. das Anspruchsdenken bzgl. der Vorrechte des Autoverkehrs ein grundsätzliches Problem darstellen.

    Allerdings ist Dein Urteil gegenüber den Autofahrern trotzdem etwas pauschal geraten. Nicht jeder Autofahrer parkt auf Rad- und Gehwegen und nicht jeder hat Probleme mit dem Radverkehr. Das sollte man im Sinne der Deeskalation auch bedenken.

    Und was erwartest Du auch für eine Reaktion von entsprechend parkenden Personen? Die haben durch die Aufstellung ihres Fahrzeuges gezeigt, dass es sich bei ihnen um Egoisten handelt. Ganz gleich mit welchem Verkehrsmittel sie unterwegs sind. Die sind halt auf sich fokussiert und merken/interessieren sich nicht dafür was um sie herum passiert. Lebt sich ja auch leichter so. Wird man dann aus seiner rosa Welt herausgerissen, dann gibt’s Stress. Die Gesellschaftliche Einstellung hilft dann beim Ignorieren, da man eben nicht ständig Probleme auf dem Radweg bekommt. Was meinst Du würde mit denen passieren, wenn die sowas auf einer normalen Fahrbahn abziehen? Da treffen sie u.a. auf ihres gleichen.

    Kurz: Du hast zwar Recht, aber drückst Dich zu pauschal aus. Am besten lebt man vermutlich, wenn man sich an Hanlo hält: „Gehe niemals von Böswilligkeit aus, wenn es durch Dummheit hinreichend erklärbar ist.“

    Gruß Löhner

    • Hallo Löhner,
      da muss ich Dir aber entschieden widersprechen. Es ist noch schlimmer, als von Andreas dargestellt. Er greift zwar zu Vokabular, was ich nicht benutzen würde, aber im Grunde hat er Recht.
      Es ist völlig egal, ob es auch Autofahrer gibt, die nicht so asozial sind, wie oben beschrieben. Fakt ist, dass dieses Verhalten inzwischen normal und sogar staatlich sanktioniert ist (siehe lächerliche Ordnungsstrafen und wegbleibende Kontrollen). Und es wird mit steigendem Autoverkehr auch nur noch schlimmer. Wir glauben doch alle an unbegrenztes Wachstum, nicht wahr? Wir leben in der Autodiktatur, und die Automobilindustrie wird dafür sorgen, dass es so bleibt.
      Dabei hat Andreas nur asoziale Falschparker angeprangert. Wenn Du auch im urbanen Raum Rad fährst, wird es Dir so wie mir passieren, dass Dir fast täglich auf unfassbar leichtsinnige Weise die Vorfahrt genommen oder zu dicht vorbei gefahren wird. Die riskieren dabei unser Leben und nicht ihr eigenes. Ich will auch gar nicht davon anfangen, in welchem Maße den Nichtautofahrern Lebensqualität durch Luftverschmutzung, Lärmbelästigung und Flächenfraß genommen wird.
      Nur mal so.
      Der Märker

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